»AKTE X - DER FILM« Größer & lauter
Und wieder eine TV-Serie auf der Leinwand Vielleicht liegt das Erfolgsgeheimnis der Kult-Serie Akte X einfach nur darin, daß die Macher eine Rahmenhandlung erfunden haben, die es ihnen erlaubt, hemmungslos in der Filmgeschichte zu plündern. UFOs, Vampire, Kannibalen, Monster, Mutanten, allerlei paranormale Aktivität und eine saftige Verschwörung auf höchster Ebene. Das ist die Welt von Akte X , und das sind die Stoffe, aus denen sich im Kino Agenten-, Science-Fiction- und Fantasyfilme seit jeher genährt haben. Akte X hat die Genre-Ideen der letzten Jahrzehnte ins serielle Fernsehformat übersetzt, und nun wird die erfolgreiche TV-Serie wieder zum Kinofilm aufgeblasen. Seit nunmehr fünf Jahren jagen die Agenten Mulder (David Duchovny) und Scully (Gillian Anderson) auf dem Bildschirm den ungelösten Fällen des FBI hinterher, und die Leinwand-Version ist sichtlich bemüht, eingefleischte Fans und Neueinsteiger gleichermaßen zu befriedigen. Die Story entspricht bekannten Mustern: Die "X-Files" sind wieder einmal von höchster Stelle geschlossen worden. Mulder, der immer noch ans Außerirdische glaubt, und Scully, die ihn immer noch skeptisch begleitet, sind zu einer Anti-Terror-Einheit strafversetzt worden. Als in Dallas (und nicht in Oklahoma) ein Hochhaus in die Luft fliegt, geraten die beiden eigensinnigen FBI-Ermittler jedoch schnell wieder in verschwörerische, paranormale Gefilde. Der Anschlag war ein Vertuschungsmanöver. Zwei Leichen, von extraterristischen Viren befallen, sollten auf diese zugegeben recht aufwendige Weise entsorgt werden. Wer vom Virus infiziert wird, verwandelt sich in ein schrill-schreiendes, beißwütiges Alien. Die Recherche führen zu einem geheimen genetischen Versuchslabor, zu konspirativen Treffpunkten in dunklen Gassen und schließlich zu einer gigantischen Alien-Brutstätte in der Antarktis. Zusammenfassungen von Akte X -Plots klingen immer recht krude, und die Gesetze nachvollziehbarer Logik werden auch in der Kinoversion zielstrebig ignoriert. Aber darauf kommt es ja nicht an. Echten Fans sind Mulders semiphilosophische Ausführungen, die hyperplatonische Beziehung des Agentenpaares, der anarchistische Charme der "Einsamen Schützen" und die düster depressive Atmosphäre des Sets ohnehin wichtiger als ordentliches Storylining. Alles was Couch-Potatoes lieb gewonnen haben, findet sich auch in der Kinosessel-Version. Nur eben größer, lauter, spektakulärer und den aktuellen Erlebniskino-Standards angepasst: Explosionen, Hubschraubereinsätze, Verfolgungsjagden, ein James-Bond-Finale mit computeranimiertem Raumschiffstart. Da gehen Mulders intellektuelle Exkurse schon mal im Dolby-Surround-Geknalle unter. Dafür hat er endlich einmal Gelegenheit die Rettungsstatistik ein wenig auszugleichen. Während im Fernsehen Scully ihren waghalsigen Kollegen immer wieder raushauen muß, darf jetzt Mulder die infizierte Scully aus dem Tiefkühllabor befreien und ihre Verwandlung zum Alien verhindern. Im Kino muß mehr passieren als im Fernsehen. Auch emotional. Pflegen Scully und Mulder im Bildschirmleben eine hochgradig asexuelle Berufspartnerschaft, kommt es auf der Leinwand zu ersten Annäherungen. Im letzten Moment schreckt der Film noch davor zurück, aus den beiden ein romantisches Paar zu kreieren. Aber immerhin: ihre Lippen haben sich schon berührt und die Fährte für die Fortsetzung ist schon gelegt.
Martin Schwickert
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