»AIR FORCE ONE«

Petersens Luftfahrt

Mann gegen Männer: Präsident zeigt's Terroristen. Persönlich!

Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika eine längere Luftreise unternimmt, bedient er sich zu diesem Zweck einer umgebauten Boing 747-2, in die alle möglichen Extras eingebaut wurden, die man zum Weltregieren so braucht: Telefax, Konferenzzimmer, "zwei Couchs, die man sich zu einem Doppelbett ausziehen lassen kann" sowie "insgesamt sechs Waschräume", wie der Filmverleih stolz mitteilt. Der Name dieses Flugzeugs, das es übrigens zweimal gibt, lautet "Air Force One", und weil Fortbewegungsmittel im aktuellen US-Kino en vogue sind, gibt es jetzt den Film zum Flieger: Air Force One .
Auf der Rückreise aus Rußland, wo er eine flammende Rede für Menschlichkeit und Zivilcourage, gegen Terrorismus und Unterdrückung - also gegen das Böse und für das Gute - gehalten hat, hofft US-Präsident James Marshall, sich mit Frau und Tochter endlich etwas entspannen zu können. Dabei hat er allerdings nicht mit dem Terroristen Ivan Korshunov gerechnet, der sich mit einigen Komplizen, getarnt als Journalisten, in die AF1 eingeschlichen hat. Korshunov möchte gerne dem üblen General Radeck dabei helfen, in Rußland ein Schreckensregime zu installieren und dann die übrige Welt zu unterjochen - ein Plan, der in dieser Form sowohl im Kreml als auch im Weißen Haus eher auf Ablehnung stößt. Genau aus diesem Grunde will Korshunov mit dem Präsidenten als Geisel die Welt erpressen. Wobei er allerdings nicht mit dem Präsidenten gerechnet hat. Der versteckt sich nämlich schlau und sucht dann im Gepäckraum ein Mobiltelefon (was im Film etwa eine halbe Stunde dauert), um die Vize-Präsidentin anzurufen. Unterdessen haben die Terroristen alle im Flugzeug Anwesenden zu Geiseln erklärt und beginnen nach alter Terroristentradition mit regelmäßigen halbstündigen Erschießungen. Unter den Opfern ist auch die Pressechefin, was immerhin gerecht ist, hat sie den Schlamassel doch irgendwie verursacht. Jedenfalls wird der Präsident darob mächtig böse, zumal die Terroristen nicht davor zurückschrecken, Präsidentengattin und -tochter zu bedrohen. Und man kann sich ungefähr vorstellen, was passiert, wenn der mächtigste Mann der Welt böse wird. Wir jedenfalls möchten dann nicht in der Nähe sein.
Der US-Präsident taucht mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder in Filmen auf: Als unnahbarer Mythos, als Mensch, als Prototyp des guten Amerikaners und zwischendurch auch immer mal wieder als besonders mieser Kerl. Aber erst die Deutschen in Holywood, Roland Emmerich und Wolfgang Petersen, machen ihn zu konkreten Helden. Emmrich ließ ihn als begabten Jet-Piloten die Welt vor den Außerirdischen retten, und in Petersens Air Force One nimmt er es ganz allein mit einer Bande bis an die Zähne bewaffneter Terroristen auf. Wobei das ja nichts Schlechtes sein muß: Drama lebt von scheinbar unlösbaren Aufgaben: je schwächer der Held und je unbezwinglicher die Gegner, desto besser. Und ob der Protagonist in physischen Filmen nun Rambo oder Präsident genannt wird, ist letzlich wurst. Weil beide nicht real sind.
Das ist also nicht der Grund, warum Air Force One ein so schlechter, bis über die Grenzen der Lächerlichkeit hinaus mißglückter Film ist.
Wir erwarten von einem großen Hollywood-Actionfilm vor allem Tempo und Schauwerte. Dazu einen sympathischen Helden, einen interessanten Schurken und vielleicht noch ein paar eingestreute Späße, die uns zeigen, daß alles nicht so ernst gemeint ist. Hiervon bietet uns Petersen nichts: Harrison Ford als Präsident ist nicht nur schlecht, sondern auch unsympathisch, verkrampft, selbstgefällig und unwitzig. Dagegen ist Gary Oldman als Schurke Korshunov beinahe interessant, was aber an Oldmans Person und nicht an der Rolle liegt. Air Force One ist auffallend humorlos, hat enorme Längen und ist auch da, wo es ein bißchen handgreiflicher und schneller wird, eher behäbig. Und die Schauwerte? Seit Das Boot soll Petersen ja besonders gut klaustrophobische Zustände in tubusartigen Fortbewegungsmitteln inszenieren können, sagt man, allerdings hat er diesmal darauf verzichtet. Der Innenraum des Flugzeuges bleibt für uns Zuschauer unübersichtlich, die Action beschränkt sich auf verschleppte Raufereien, und Spezialeffekte, wie etwa die Außenaufnahmen, sehen reichlich künstlich aus. Das alles wäre vielleicht zu verschmerzen, wäre der Film nicht so unglaublich ernsthaft, so humorlos, so selbstgefällig, daß Harison Fords Interpretation der Rolle schon wieder angemessen ist.

Jens Steinbrenner