A HISTORY OF VIOLENCE
Der Killer in dir David Cronenbergs düstere Meditation über Gewalt Cronenbergs Karriere ist eine lange Aneinanderreihung unserer eigenen düsteren Wahrheiten und Perversionen. Er ist kein exhibitionistisch Perverser, sondern jemand, der unsere versteckten Gedanken kennt, sie uns in vollendeter Form und Farbe zeigt und uns dabei sogar noch sardonisch zuzuzwinkert.
Nach Die Fliege, Crash, eXistenZ und Naked Lunch (um nur einige der Transgressionen des ominösen Kanadiers zu nennen) schickt uns Cronenberg mit A History of Violence in eine Opfer/Täter Phantasie, deren Ursprung als "Graphic Novel" (also Comic mit Anspruch) nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es hier um ein großes Thema geht.
Ausgangspunkt ist eine kleine Stadt im US-Staat Indiana, in der Tom Stall (Viggo Mortensen) ein idyllisches Leben mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt. Als eines Tages zwei Killer Toms kleines Restaurant besuchen und ihre Waffen ziehen, scheint das Schicksal des scheinbar friedfertigen Mannes besiegelt. Statt brav zu kuschen, springt Tom jedoch über den Tresen und erledigt seine Peiniger mit einer Präzision, die man nicht mal von einer gelernten Kampfmaschine erwarten würde. Tom ist plötzlich ein gefeierter Held. Schließlich tauchen zwielichtige Gestalten in der Stadt auf und geben vor, Tom aus seinem früheren Leben zu kennen, in dem er Joey hieß und Gewalttaten am Stück vollbrachte.
Viel dreht sich um die Frage, ob Tom in einem frühren Leben tatsächlich Joey war. Cronenberg bringt aber ein zweites, weitaus wichtigeres Thema in seinen Film ein: die große Kluft zwischen den Menschen, die wir glauben zu sein, und den Kreaturen, die wir sein müssten, um eine gewalttätige Konfrontation zu überstehen. Bei einem Raubüberfall wäre jeder gern der Held, aber in Toms Fall wird dieses Beispiel weiter gespannt: um zu überleben, muss er töten, also zu einem blutrünstigen Killer werden. Die Frage, ob eine zweite Persönlichkeit in ihm existiert, ist zu bejahen. Cronenberg und sein brillant-ambivalenter Hauptdarsteller Viggo Mortensen lassen uns diesen Kampf zwischen Mann und Biest stärker fühlen, als es die Evolutionstheorie jemals könnte.
Karsten Kastelan
USA 2005 R: David Cronenberg. B: Josh Olson. K: Peter Suschitzky. D: Viggo Mortensen, Maria Bello, Ed Harris, William Hurt, Ashton Holmes, Heidi Hayes
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