EINE AFFÄRE IN PARIS

Der Käse- Krokodil-Dip

James Ivory geschmäcklert über Amerikaner und Franzosen

Sehr lustig: zwei gesittete Familien treffen sich bei Essen im Grünen, um gesittet Scheidungs-Probleme von Tochter (amerikanische Dichterin) und Sohn (französischer Globalisierungs-Gegner) zu besprechen. Aber bevor es emotional werden kann, beissen alle erstmal in einen verdorbenen Käse. Und mokieren sich hinter vorgehaltener Serviette über die rote Krokodilleder-Handtasche, mit der sich die zweite Tochter als Maträsse des lebemännlichen Bruders der Mutter ihres Ex-Schwagers entlarvt.
Mit sowas will James Ivory wohl ernsthaft der Bunuel der romantischen Komödie werden. Und zugleich ein böses Culture-Clash-Drama (sozusagen die Interkontinental-Fortsetzung zu Altmans "Eine Hochzeit") mit mindestens einer hochgezogenen Augenbraue versehen. Dabei entgleist die Farce jedoch zu einem Kaleidoskop. Mit vielen Facetten.
Kate Hudson ist die schönste. Sie kommt als nett-tumbes american girl nach Paris, um ihrer Schwester beim zweiten Kind zu helfen. Kaum steigt sie aus dem Taxi, steigt deren Mann da ein, um sich dauerhaft zur Geliebten abzusetzen. Und kaum lernt sie ein bißchen Landessprache (im Bett einer netten Nebenfigur), fällt sie schon auf den alternden Familien-Charmeur herein, der im Fernsehen Moral und Stärke predigt, im Separee aber von Orangenwasser und Lebensart schwärmt. Kate wird kultiviert und kauft sich Dessous, lässt sich am Ende nonchalant verlassen - und kann das Wort "Doppel-Moral" in keiner Sprache auch nur denken - aber dafür die Kroko-Tasche vom Eiffelturm werfen, ein überaus aufgesetztes Filmbild.
In einer Nebenhandlung geht es um ein möglicherweise wertvolles Gemälde, in einer anderen um einen Mord aus Leidenschaft. Die Leiche (der untreue Kerl vom Anfang) liegt in einer Mülltonne, die Tatwaffe steckt in der Handtasche. Aber hier verbinden sich nicht Hitchcock und Truffaut, Satire und Spannung, Personen und Plot, hier gerät ein altmodischer Reigen aus der Form. Damit es ein bisschen heutig aussieht, rückt Ivory immer wieder unnötige Grossbildfernseher ins Bild, damit man seine Liebe zu vergangener Grösse sieht, lässt er in einer dritten Nebenhandlung Glenn Close als ergraute Dichterfürstin an der Seine residieren (sie hat auch eine rote Kroko-Tasche), und damit es dann doch noch ein schärferes Sittenbild wird, stieg eine Chili-Frischkäse-Firma als Sponsor-Partner ein.
Die durchweg exquisiten Bilder eignen sich sehr dafür, nach dem gesitteten Lichtspielthater-Besuch die Zähne hinein zu schlagen, der Original-Titel "Le Divorce" (der englischen Roman-Vorlage) war schon ein schwacher Witz (das ist "Scheidung" auf franglisch), die Übersetzung in "Eine Affäre ..." ist so gut wie falsch (wir sehen mindestens drei).
Und kann das denn ernsthaft als Komödie gemeint sein: Ein schwangerer Selbstmordversuch? Eine Gesichtscreme-Sammlung für die 3. Welt? Oder wollte James Ivory wirklich gallig werden?

WING

Le Divorce. USA 2003, 117 Min, R.: James Ivory; D: Kate Hudson, Naomi Watts, Jean-Marc Barr, Leslie Caron, Stockard Channing, Glenn Close, Stepheny Fry, Thierry Lhermitte, Matthew Modine