»NUR NOCH 60 SEKUNDEN«

Blechgang

Bruckheimer-Kino mit Dämpfer

Für viele Kinogänger ist die Bruckheimer-Produktionsschmiede ein Garant rasanter Actionunterhaltung. Mir ging es bisher eher so, dass ich von den reichlich seelenlosen Bildstakkatos a la Armageddon oder The Rock gelangweilt war. Deshalb war ich angenehm überrascht, mit Nur noch 60 Sekunden einen Film vorzufinden, der sich wohltuend von den meisten Bruckheimer-Werken der letzten Jahre abhebt. Nicht dass man hier jetzt tiefschürfendes Arthaus-Kino zu erwarten hätte, aber er wartet doch insgesamt mit einer Geschichte auf, die gut ausgearbeitet ist; auch wenn sich das auf dem Papier zunächst anders liest: Randall Raines (Nicolas Cage), früher ein brillanter Autodieb, muss aus dem selbstgewählten Exil zurückkehren, um seinem Bruder Kip (Giovanni Ribisi) beizustehen. Dieser hat einen Job versaut, und da sein Auftraggeber nun ohne Autos dasteht, soll Raines innerhalb von 72 Stunden 50 Autos herbeischaffen, sonst wird Kip umgebracht.
Das zentrale Thema des Films ist die Familie. Dabei geht er durchaus geschickt vor, wenn das auf mehreren Ebenen miteinander verzahnt wird. Dass die soziale Konstruktion der Familie funktioniert, springt uns in nahezu jeder Szene entgegen. Das Engagement der Cage-Figur gegenüber ihrem Bruder findet in der Bande der alten Kumpane, die Raines für diesen nahezu unmöglichen Job reaktiviert hat, ihre passende Entsprechung. Wie ineinander greifende Zahnräder arbeiten die erfahrenen Diebe zusammen und helfen einander in kritischen Situationen. Es ist wirklich ein Genuss, diesen Professionals bei ihrer Arbeit zuzusehen. Den spannenden Szenen haucht das Drehbuch so die Seele ein, die man sonst bei Bruckheimer vermisste. Richtige Action ist in »Nur noch 60 Sekunden« sparsam eingesetzt. Es gibt eine hübsche, altmodische Autoverfolgungsjagd, die so ähnlich zwar auch schon in »Ronin« zu sehen war, aber doch immer wieder Spaß macht. Ein flotter, schön gestylter Film ist das.

Stefan Dabrock