50/50 - FREUNDE FÜRS (ÜBER)LEBEN

Männer, Mädchen, Metastasen

American Pie kommt auf die Krebsstation

Adam Lerner ist noch keine 30 aber schon so brav, dass er beim Morgenjogging auch bei völlig leeren Straßen vor roten Ampeln anhält. Nur Jugendfreund Kyle hält noch die Unbekümmertheit aus Teenietagen hoch, führt lockere Reden über Blowjobs und das Recht des Mannes auf Bier und Busen. Das Weichei und sein Sidekick finden sich jeweils gegenseitig ziemlich aus der Art geschlagen, hängen aber sehr nett aneinander.

Dann kriegt Adam ein unübersehbares Stoppzeichen: Krebs. "Warum ich?", wundert sich der Betroffene halb im Scherz , "Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich trenne meinen Müll". Sonst fast ohne Erregung oder gar Aufbegehren erträgt Adam die zuweilen komischen Aspekte der Erkrankung. Und Kyle setzt den Mitleidsbonus eines so jung schon Todgeweihten schamlos zum Anbaggern sentimentaler Abendbekanntschaften ein. "Mein Freund hat Krebs" wirkt auf Mädchen mit Seele besser als "Mein Auto hat Liegesitze".

Der Rest von Adams Umfeld hat mehr Schwierigkeiten. Die Mutter (Anjelica Huston) ist mit ihrer unnachgiebigen Zuwendung eher lästig als hilfreich, die nette Freundin (Bryce Dallas Howard) ist bald hoffnungslos überfordert. Schließlich verfällt Adam zusehends, muss immerzu zur Chemotherapie begleitet werden und benimmt sich dann auch noch gar nicht wie ein dankbarer Kranker.

Auch seine Therapeutin hat Schwierigkeiten, ihn zu einer ordentlichen Lehrbuchreaktion zu bewegen. Wut oder Trauer, Anklage oder Verzweiflung sind Adams Sache nicht.

So richtig gut geht es ihm nur bei den gemeinsamen Chemo-Sitzungen mit zwei alten Männern, die ihm den Umgang mit medizinischem Marihuana beibringen und respektlos über alle Formen der Hinfälligkeit scherzen. Da kommt keinerlei Pathos vom Kampf ums Überleben auf. Adam lässt sich treiben, beobachtet hoch komische Episoden am Rande seines Dahinsiechens und entdeckt in kleinen Szenen dann doch noch richtige Gefühle. Dabei sehen die durchaus ungewöhnlichen Blicke auf die Krankheit und das Leiden völlig normal aus und vermeiden zugleich die Sentiment-Routinen des Mainstreams.

Drehbuchautor Will Reiser hat die Erfahrungen mit seiner eigene Krebserkrankung als ganz alltägliche Geschichte eines Weltuntergangs für jeden verständlich gemacht. Umgekehrt verfilmt Regisseur Jonathan Levine die Geschichte mit durchweg konventionellen Mitteln, bricht aber an einigen Stellen ebenso wirksam wie unaufdringlich aus dem Schema aus. Natürlich hat Adam irgendwann mal doch seinen Ausbruch mit Schreien und umsichschlagen, aber im Inneren eines Autos, hinter verschlossenen Scheiben, vor dem wir mit Freund Kyle ratlos aber solidarisch stehen.

Die Überlebenschancen der Hauptfigur stehen schon im Titel. Die Chancen des Films, als leichte Tragikomödie vielen beim Umgang mit dem Unglück ihrer Freunde helfen zu können, stehen besser. Auch wenn das Buch (Will Reiser hatte nicht nur Krebs, sondern ist auch gelernter TV-Comedy-Produzent) ganz amerikanisch am Ende lieber romantische Komödie als persönliches Drama sein will.

Wing

USA 2011. R: Jonathan Levine B: Will Reiser K: Terry Stacey D: Joseph Gordon-Levitt, Seth Rogen, Anna Kendrick, Bryce Dallas Howard, Anjelica Houston