300

Nackige Jungs

Frank Millers verschwitzte Heldenwelt steht unter Faschismus-Verdacht

Schwitzende Männer mit kühlschrankgroßen Brustkörben stapeln die Leichen des Gegners zu einer meterhohen Mauer auf. Tausende von persischen Soldaten, die durch das Nadelöhr der Thermopylen hindurch Richtung Sparta ziehen wollten, haben hier den Tod gefunden. Dreihundert spartanische Mannen verteidigen mit kriegerischer Inbrunst Land und Ehre. Köpfe und Gliedmaßen werden mit scharfer Klinge und präziser Waffenführung vom Feindeskörper abgetrennt. Blutfontänen gurgeln malerisch vor dem computerblauen Himmel der griechischen Antike.
Willkommen in Sparta. Willkommen im Frank Miller-Universum. Der amerikanische Kult-Comic-Autor hat sich hier einmal nicht im nihilistischen Sodom und Gomorrha von Sin City vergnügt, sondern mit 300 ein geradliniges, ungebrochenes Heldenepos gezeichnet. Zack Snyder (Dawn of the Dead) hat sich nun des archaischen Comicstoffes angenommen und ihn maßstabgetreu als digital hochfrisierten Realfilm in Szene gesetzt.
Die Krieger Spartas, die sich unter Führung von Leonidas (Gerard Butler) dem computergenerierten Millionenheer des Perserkönigs Xerxes (Rodrigo Santoro) entgegen werfen, werden als heldenmythische Ursuppe präsentiert. In seiner testosterongeladenen Sehnsucht nach Mut, Ehrgefühl und unerschöpflicher Kampfeskraft wirkt der Film schon fast bemitleidenswert.
Auf der Berlinale, wo 300 seine Premiere hatte, hagelte es denn auch Faschismusvorwürfe. Aber nur weil sich der Nationalsozialismus so ungehemmt den Mythenfundus der Antike bedient hat, muss sich nicht jeder, der zur gleichen Quelle geht, als Faschist beschimpfen lassen. Vielmehr bedient 300 mit seinen halbnackten, muskelbepackten Kämpfern, den widerspruchsfreien Figurencharakterisierung, dem dauererigiertem Pathos und einer bronzefarbenen Glorifizierungsästethik ein Bedürfnis nach Klarheit, Kraft und Körperlichkeit, das die joystickschwenkende Männergeneration in der Hi-Tech-Gesellschaft nur noch im virtuellen Raum befriedigen kann. Das ist vielleicht besorgniserregend oder auch einfach nur bekloppt. Aber noch längst nicht faschistoid.

Martin Schwickert

USA 2006 R: Zack Snyder B: Zack Snyder, Kurt Johnstad, Michael B. Gordon K: Larry Fong D: Gerard Butler, Lena Headey, Dominic West , 117 Min.