28 DAYS LATER Beiss mich! Ein Zombie-Film ohne Zombies Danny Boyle war einmal das Regie-Wunderkind des britischen Kinos. Vor zehn Jahren drehte er einen WG-Psycho-Thriller (Kleine Morde unter Freunden), dann einen epochalen Drogenfilm (Trainspotting) und machte nebenbei Ewan McGregor zum Star. Als Hollywood an die Tür klopfte, nahm Boyle dankend an; leider. Seitdem sind seine Filme perfektionierte, aber verwässerte Genre-Studien. Mit 28 Days Later arbeitet er sich am untoten Genre des Zombie-Films ab. Dabei gibt es im Streifen gar keine Zombies. Die blutgierigen Personen, die hier in schöner Regelmäßigkeit Amok laufen, tragen einen Virus in sich, der sie in kannibalistische Monster mit wirren Haaren und roten Augen verwandelt hat. Sie tauchen meist in Rotten auf, laufen wie Gicht-Patienten und können ganz stinknormal mit Feuerwaffen zur Strecke gebracht werden. Das klingt einfach, gäbe es von ihnen nicht so unheimlich viele. Der Fahrradkurier Jim (Cilian Murphy) gehört zum kleinen Kreis der Nichtinfizierten. Jim hat nach einem Verkehrsunfall 28 Tage im Koma gelegen - vier Wochen, in denen sich seine Heimatstadt London in eine urbane Wüste verwandelt hat. Kein Mensch spaziert auf den Strassen, als er sich quasi selbst aus dem Krankenhaus entlässt. Jim geht einsam durch das Bankenviertel, über den Piccadilly Circus und über die Oxford Street - herrlich apokalyptische Bilder, die Dogma-Kameramann Anthony Dod Mantle mit einer Digitalkamera eingefangen hat. Dann stürmen sie doch los, zwei, drei, zwanzig Rotaugen, um ihn ordentlich zu beißen, und wäre die toughe Selena (Naomie Harris) nicht engelsgleich mit Flammenwerfer zur Stelle, hätte es ihn fast erwischt. Von Selena erfährt Jim alles über die dramatischen Ereignisse, die sich während seiner Abwesenheit zugetragen haben: ein unbekannter Psycho-Virus hat sich rasend schnell über das gesamte Land ausgebreitet und es in eine Anarchie verwandelt. Hoffnung keimt auf, als das Duo auf Frank (Brendan Gleeson) und seine Teenie-Tochter trifft. Über einen Funksender hat Frank von einer Armeebasis nahe Manchester erfahren, die ein Gegenmittel in ihren Händen haben soll. Alle vier machen sich auf den Weg. Bis zu diesem Zeitpunkt - etwa die Hälfte des Films - folgen Boyle und sein Skritpschreiber Alex Garland (Roman-Autor von The Beach) einer festgelegten Horror-Dramaturgie. Plötzlich kippt 28 Days Later in einen klaustrophobischen Psycho-Thriller, in dem es nur noch Böse oder Richtig Böse gibt. Dank den großartigen Bildern, der handwerklich gut erzeugten Spannung und erstklassigen Schauspielern nimmt man Boyle den Dreh nicht übel. Ganz im Gegenteil: Mit der modernen Ästhetisierung eines darnieder liegenden Genres hat der Regisseur bewiesen, dass man doch noch mit ihm rechnen kann. Ulf Lippitz GB 2002, R: Danny Boyle, B: Alex Garland, K: Anthony Dod Mantle, D: Cilian Murphy, Naomie Harris, Brendan Gleeson, Christopher Eccleston
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