25 STUNDEN Luftholen Spike Lees entspanntes Portrait eines Mannes, der nachdenkt Monty (Edward Norton) ist am Ende der Straße angelangt. Sieben Jahre Knast liegen vor dem gelernten Drogendealer. Ein Tag noch in Freiheit, dann werden sich die Gefängnistore hinter ihm schließen. Was macht einer wie Monty mit diesen letzten 24 Stunden? Wenn man stirbt, so wird behauptet, rast das Leben noch einmal an einem vorbei. So ähnlich funktioniert das auch hier. Nur viel langsamer. Die Erinnerungen kriechen durch den Kopf. Ein wenig Reue kommt auf, aber vor allem Angst und schleichende Agonie. Ein Testament setzt Monty nicht auf, aber ein paar Dinge möchte er an diesem letzten Tag noch klären. Der Hund braucht ein neues zu Hause. Die alten Kumpels aus Schultagen Francis (Barry Pepper) und Jacob (Philip Seymour Hoffman) und seinen Vater (Brian Cox) möchte er noch einmal sehen. Am Abend werden die Arbeitgeber von der Russenmafia noch eine Abschiedsparty schmeißen, und sie erkundigen sich auffällig oft nach seinem Erscheinen. Und dann ist da noch Naturelle (Rosario Dawson). Insgeheim verdächtigt Monty seine langjährige Freundin, ihn an die Drogenfahnder verraten zu haben. Ganz ohne moralischen Impetus erzählt Spike Lee von der Existenzkrise des Dealers, dem sein sorgenfreies und verantwortungsloses Leben vor die Füße fällt. Wie schon in Summer of Sam zeigt sich, dass der afroamerikanische Vorzeigeregisseur außerhalb seiner Community mittlerweile die besseren Filme macht. Zu seinen weißen Hauptfiguren hat Lee eine sichtbar größere Distanz. Sie müssen nicht den ganzen didaktischen Ballast tragen, den Lee seinen schwarzen Helden in Malcolm X, Get On The Bus oder Spiel des Lebens auf die Schultern lud. Dagegen wirkt 25 Stunden ungeheuer entspannt. Fast plotfrei plätschert die Handlung dahin. Edward Nortons Monty taugt weder zur Identifikationsfigur noch zum abschreckenden Beispiel. Trotzdem vermitteln sich zwischen den Zeilen die existenziellen Lebensfragen, die der Film aufwirft. 25 Stunden ist mitten in New York der Gegenwart angesiedelt, und Spike Lee ist der erste Regisseur, der versucht, die Phantomschmerzen der Stadt nach dem Nine-Eleven ins Bild zu fassen. Schon in der ersten Einstellung fällt der Blick auf die nächtliche Skyline in Lower Manhattan und die Lichtkegel, die die zerstörten Türme ersetzen. Später, wenn Francis und Jacob das Schicksal ihres Freundes Monty erörtern, schauen sie dabei aus dem Apartment direkt in den klaffenden Abgrund von Ground Zero. Diese Bilder werden ohne plakative Gesten eingeflochten. Sie sind einfach da - genauso plötzlich wie sich das Ereignis ins Leben der New Yorker Bevölkerung drängte. Sie hinterlassen einen Schleier der Beklemmung und eröffnen gleichzeitig den Resonanzraum für eine Geschichte, die sich sonst wohlmöglich in der Selbstzentriertheit des Helden verlieren würde. Martin Schwickert 25th Hour USA 2002 R: Spike Lee B: David Benioff K: Rodrigo Prieto D: Edward Norton, Philip Seymour Hoffman, Barry Pepper, Rosario Dawson
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