2012

Kawumm!

Nach uns die Sintflut: Der Schwabe Roland Emmerich lässt die Welt wieder mal untergehen

Eigentlich hatte Roland Emmerich nach The Day After Tomorrow versprochen, dass mit den Zerstörungsorgien jetzt endgültig Schluss sei (www.ultimo-bielefeld.de/kr-film/i-emme.htm ). Der gebürtige Schwabe wollte in Hollywood seinen hart erarbeiteten Titel als "Master of Desaster" ablegen. Aber der Aufbruch zu neuen Ufern mit dem kruden Steinzeit-Spektakel 10.000 B.C. wollte nicht so recht gelingen. Die behaarten Mammut-Jäger ließen weitaus weniger Zuschauer ins Kino strömen, als es der erfolgsverwöhnte Blockbuster-Regisseur erhofft hatte. Also ließ sich Emmerich überreden, es mit 2012 noch einmal so richtig krachen zu lassen.

Das Jahr 2012 wird in esoterischen Kreisen beharrlich als Endzeitdatum gehandelt. Grund dafür ist der Maya-Kalender, der am 20.12.2012 das Ende unserer Epoche ankündigt. Emmerich benutzt den Endzeitmythos für eine Apokalypse im Eigenformat. Eine Sonnenexplosion ist der Ursprung für die geologische Aufweichung der Erdkruste. Der smarte Forscher Adrian Helmsley (Chiwetel Ejiofor) entdeckt das Phänomen 2009 und informiert sofort das Weiße Haus über den bevorstehenden Weltuntergang. Mr. President (Danny Glover) schart die Regierungsvertreter der G8-Staaten um sich und heckt mit ihnen einen unheimlich geheimen Rettungsplan aus. Der Haken bei der Sache: Nur ein kleiner Teil der Menschheit kann gerettet werden, während der Rest unwissend seinem Schicksal überlassen wird. Die Tickets für die Arche werden an reiche Investoren und Auserwählte aus Regierung und Wissenschaft vergeben.

Der Romanautor Jackson Curtis (John Cusack) ist einer der Ahnungslosen. Er begibt sich gerade mit seinen Kindern auf einen Ausflug im Yellowstone-Nationalpark, als die Erde früher als erwartet aufreißt. Als er über den exzentrischen Radiomoderator Charlie Frost (Woody Harrelson) von dem bevorstehenden Weltuntergang erfährt, wird Curtis zum Helden wider Willen, der Kinder samt Ex-Frau (Amanda Peet) und Zweitmann in ein Flugzeug packt, das selbstverständlich in allerletzter Sekunde von der kollabierenden Erdoberfläche abhebt.

Das ist eine starke Metapher, die Emmerich hier aus dem Hut zaubert. Buchstäblich verliert die Menschheit den Boden unter den Füßen. Die Erde tut sich auf. Kilometertiefe Risse durchfurchen Los Angeles, das Emmerich mit großer Lust am destruktiven Detail in sich zusammensinken lässt. Es gibt kein Halten mehr. Nirgends. Der schwäbische Effektemeister greift ganz tief in die Wundertüte und zitiert sich von William Dieterles Vulcano (1959) über Mark Robsons Erdbeben bis zu Ronald Neames Die Todesfahrt der Poseidon durch das ganze Genre des Katastrophenfilms.

Neben dem üblichen Herum-Menscheln auf familiärem Niveau (der Versager-Vater Curtis gewinnt durch heldenhaften Einsatz das Herz von Frau und Kind zurück) behandelt Emmerich angesichts des bevorstehenden Endes auch die korrumpierten Wertvorstellungen unserer verkommenen Weltordnung. Immer wieder stellt er die Frage, was sich vom menschlichen Dasein vor der Sintflut zu retten lohnt.

Als visuelles Überwältigungskino funktioniert 2012 . Die geistige Überwältigung bleibt allerdings zwischen Baustein-Dramaturgie und einfältigen Dialogen auf der Strecke.

Martin Schwickert

USA 2009 R: Roland Emmerich B: Harald Kloser, Roland Emmerich K: Dean Semler D: John Cusack, Chiwetel Ejiofor, Amanda Peet