»ELIZABETH« Kleine Morde unter Freunden Schicksalsjahre einer Königin, die alles anders machte Shekhar Kapurs Elizabeth hört dort auf, wo andere Betrachtungen zur sagenumwobenen Tudor-Queen erst beginnen: mit der Verwandlung Elizabeths zur königlichen Ikone. Dicke weiße Schminke überdeckt jede Pore des Gesichts. Das wallende Haar wird auf wenige Zentimeter zurechtgestutzt und unter einer purpurfarbenen Perücke versteckt. Ein weites, blendend weißes Gewand mit hochgeschlossener Halskrause überdeckt die Körperformen. Dieses mystifizierte Bild der "Virgin-Queen", die es verstand, sich in einer religiös zerstrittenen Zeit mariengleich als Lichtgestalt in Szene zu setzen, findet man auch heute noch in jedem Geschichtsbuch. Monarchien sind bekanntlich gefährliche und gewalttätige Angelegenheiten. Kanzler kann man abwählen, Könige hingegen werden meist mortal abgesetzt. Nach dem frühen Tod ihrer wahnhaft katholischen Stiefschwester Mary (Kathy Burke) übernimmt Elizabeth (Cate Blanchett) als Nachrückerin 1559 die Geschäfte des englischen Königreichs. Das Land ist zerstritten. Protestanten und Katholiken befehden sich unnachgiebig. Armee und Flotte sind geschwächt. Frankreich und Spanien warten nur auf eine Gelegenheit zur Invasion des Inselreiches. Dann kommt auch noch eine Frau an die Macht, und der königliche Hof erwartet, daß die Thronfolgerin durch eine diplomatische Heiratspolitik rettet, was noch zu retten ist. Während Junggesellen aus namhaften europäischen Adelshäusern Schlange stehen, scheint Elizabeth allerdings immer noch ihrer Jugendliebe Robert Dudley (Joseph Fiennes) nachzuhängen und sucht selbstbewußt nach Wegen, unverheiratet Thron und Land zu verteidigen. Die Abkehr vom Katholizismus als staatstragende Religion bringt ihr einen Mordaufruf des Vatikans ein, und auch bei Hofe formieren sich die Verschwörer um den Duke of Norfolk (Christopher Eccleston). Die Messer werden gewetzt, vergiftete Kleider werden als Präsente zugestellt, einzig dem Geheimdienst- und Spionagechef Walsingham (Geoffrey Rush) kann Elizabeth noch trauen. Schließlich läßt sie in einer Nacht- und Nebelaktion alle Verschwörer verhaften und hinrichten. Von der Liebe enttäuscht (auch Dudley gehörte zum Komplott) und mit den blutigen Spielregeln der Macht vertraut, zieht sie sich hinter eine unantastbare Ikonenmaske zurück und geht als erste unverheiratete Königin Englands in die Geschichte ein. Der indische Regisseur Shekhar Kapur (Bandit Queen) setzt sich in seiner ersten internationalen Produktion selbstbewußt über die behäbigen Traditionen britischer Kostümfilme hinweg. Souverän sampelt er geschichtliche Fakten aus mehreren Jahrzehnten zu einer kompakten, spannenden Verschwörungsstory zusammen. Im Ensemble werden gewinnbringend große Namen wie Geoffrey Rush (Shine) mit Newcomern wie Joseph Fiennes (Martha trifft Frank, Daniel und Laurence) und Christopher Eccleston (Herzen in Aufruhr) kombiniert. Allen voran brilliert Cate Blanchett (Oscar und Lucinda) in der Titelrolle. Sie setzt das zerbrechliche Selbstbewußtsein der werdenden Königin zurückhaltend, aber ausgesprochen präzise und facettenreich in Szene. Die Kulisse ist steinern und von gepflegter Düsternis. Die Kamera schaut auf die Hauptfigur immer wieder mit einem gebrochenem Blick durch Schleier, Gitter und Fensterreliefs und zeigt die Queen als Gefangene ihrer Geschichte. Elizabeth gelingt es, das staubige Kostümfilmgenre neu zu beleben, ohne es zwanghaft zu modernisieren. Auch hier rascheln die Kleider, flattern die Mäntel, rasseln die Säbel. Aber der Film verliert sich nicht im historischen Detailwahn, sondern konzentriert sich auf die spannungsgeladene Intrigendramaturgie und auf die Inszenierung einer erlesen finsteren Atmosphäre in wuchtigen, kraftvollen Bildern. Martin Schwickert
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