Die Geister die ich rief

Lustig

Im amerikanischen Kino weiß die Linke nicht was die Rechte tut, umgekehrt aber sehr wohl, spätestens seit Ronald Reagan Präsident der Schauspielergesellschaft war. Schon damals konnte niemand besser als Hollywood mit der einen Hand süßen Schmalz ins Volk ausgießen und mit der anderen dekorative Systemkritik darüber streuen.

Besonders im Weihnachtsfilm-Geschäft ist diese Kunst der Stabilisierungs-Satire in letzter Zeit zu hoher Blüte gelangt. Ist es etwa nicht Konsum-Kritik, wenn der böse Geschäftsmann in "Santa Claus" davon ab gebracht wird "X-MAS-II" neu und verbessert als Kassenschlager in der Saure Gurken Zeit abzuhalten? Und ist es nicht ein cleverer Trick, ausgerechnet mit der Verdammung solcher Ideen verdammt viel Geld zu machen?

Bill Murray macht es in "Scrooged" genauso, nur noch intelligenter, ja mindestens so ausgebufft, wie das Ekel, das er spielt, Frank Cross, den härtesten Programmchef des Fernsehsenders. Er hat eines dieser unsynchronisierbaren Wortspiele an der Bürowand, eine Wörterbuchdefinition: "Cross - a thing they nail people to", und ihm ist durchaus zu zu trauen, dass er die hyperzynische Geistesgrätsche begeht, ausgerechnet Charles Dickens' "Christmas Carol" als Heilig-Abend-Show-Spektakel live und mit Ballett via Satellit um die Welt zu pusten. So weit ging nicht mal Onkel Disney mit Onkel Dagobert in der Zeichentrick-Fassung des Stoffes.

So einem geschieht es also sehr recht, wenn der marktwirtschaftlich ausgebeutete Sozial-Kitsch der Vergangenheit sich leibhaftig gegen seine gegenwärtigen Ausbeuter wendet. Die Harmonie schlägt zurück, sozusagen.

Die Dickensschen Engel der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nämlich zeigen dem fies grinsenden Murray mit Slapstick und Holzhammer und unter Aufbietung hübscher Monster-Tricks, dass sein Massenbelustigungssystem eine üble Sache ist und den Seelenfrieden dermaleinst schwer stören wird, dass man arm aber glücklich sein kann, dass Mitleid der totale Bringer ist und eigentlich jeden Tag rührselige Weihnachten sein sollte. Woraufhin Frank flugs zum Zeichen der geschäftstüchtigen Bekehrung seinen eigenen Sender überfällt, ins Schlussbild der da laufenden Scrooge-Show platzt und die frohe Botschaft live ins Publikum quatscht.

Was ganz nebenbei ein geniales Selbstzitat ist, denn gleich nach dem Titel-Logo und direkt hinter dem Paramountberg überfallen geisteskranke Terroristen die Werkstatt des Weihnachtsmanns und Lee Majors alias der 6 Millionen Dollar Mann kommt, um alle zu retten. Es ist aber nur ein Trailer aus Murrays Vorabendprogramm.

So geht das eben in Amerika: ein Komiker mimt den bad guy, der liebe Gott braucht Fernsehprediger, die beherrschen längst jeden V-Effekt und der Heilige Abend ist nicht mal mehr vor seinen Rettern sicher. Man könnte schier verzeifeln, wenn es nicht so lehrreich wäre, und so zum Lachen.

WING