DAVE

Kevin im Weißen Haus

Seit ein paar Jahren gibt es im Kino alles doppelt. Sex-Thriller, Gewerkschafts-Dramen, Kolumbialismus-Schinken oder Cop'n'Sidekick-Comedies ziehen immer mindestens einen Doppelgänger nach sich. Oder werden von einem überholt. Wo aber bleibt unter diesen Trendumständen überhaupt das Original? Und was, wenn das der Präsident wüßte?

Und warum werden eigentlich bei uns nicht gleich zwei wenigstens kleine Fernsehspiele gedreht, über einen, der dem Bundeskanzler so ähnlich sieht, daß ... das kann doch nicht nur daran liegen, daß wir keinen Kevin Kline haben? Der spielt in Dave beides, den guten Menschen aus der Kleinstadt und den abgebrühten Staaten-Chef, der ihm äußerlich äußerst ähnlich ist. Kevin als Dave wird dessen Body Double und schon nach ein paar Minuten erreicht die Komödie ihren tiefsten Gedanken: der Präsident der USA liest eine flammende Rede vom Teleprompter ab, während das Lookalike an der Fernsehübertragung davon seine Gestik einstudiert. Sehr komisch: wie einer eine Marionette möglicht lebensecht nachäfft ...

Aber Ivan "Ghostbusters" Reitman wollte keine politische Satire machen oder einen Zwei-Seelen-Schauderfilm - Dave ist nur ein Spaß, der lustigste im Präsidenten-Film-Dutzend der letzten Jahre, mit einer schönen Begleitrolle für Sigourney Weavers neue Frisur. Anstelle des Problems des Wahren nämlich gibt es wichtigere Fragen. Nach dem Schönen und Guten etwa. Erkennt die längst enttäuschte First Lady im Schauspieler ihren Mann, oder gerade darum eher weil nicht? Und wäre nicht sowieso der Niemand von der Straße ein besserer Administrator als der gewählte? Nach James Stewart damals (der verhinderte bloß einen Staudamm) und Eddie Murphy neulich (der schlug den Elektro-Smog tot), zeigt nun Kevin Kline, wie man mit dem Herzen in der Hand korrupte Minister abschießt, den Etat hauruck ausgleicht, die Arbeitslosigkeit bekämpft und die Obdachlosigkeit abschafft - und auch noch eine Liebe für den Rest des Lebens gewinnt.

Präsident bleibt er allerdings nicht. Denn neben Schnulz und Schabernack läuft auch noch ein bißchen Spannung um den Drahtzieher im Hinterzimmer ab, dem die Marionetten bald zusehr aus der Reihe tanzen. So springt die Inszenierung auch oft übergangslos in eine andere Stimmung, rafft komplizierte Charakterstudien in einen Schnitt, und wirkt doch insgesamt recht langsam. Wohl weil wir fast jede Wendung der Ereignise schon mal woanders gesehen haben. Neu ist hier eigentlich nur Kevin Kline, der seine verschiedenen Sachen sehr gut macht und nachmacht. Und neu sind die vielen Inside-Jokes für Amerikaner: etwa ein Dutzend Politiker und Journalisten treten als sie selber auf - darunter Oliver "JFK" Stone, der in einer Talk-Show an eine Präsidenten-Austausch-Verschwörung glaubt. Wir haben alle gegrinst, wenn auch kaum mehr. Dann wird alles gut, das Double kriegt die Frau, das Amt kriegt ein neuer, die Versöhnung marschiert ... aber solange wir dagegen nur Harald Juhnke als Papagei aufzubieten haben (war aber auch nicht schlecht), dürfen wir Hollywood seine moralischen Komödien wohl nicht übel nehmen.

-w-