DAS WOCHENENDE

RAF kommt zum Kaffee

Ein Familienidyll mit Flecken

Ein böser Möbelhaus-TV-Spot spielte schon mal mit 40-jährigen, die in der gemütlichen Wohnküche lieber noch mit schlechtem Gewissen einen Wein trinken, als zur Demo zu gehen. Jetzt macht Nina Grosse aus Bernhard Schlinks Kurzroman Das Wochenende einen ähnlich an der Oberfläche kratzenden Erinnerungsthriller. Anlässlich seiner Begnadigung nach 18 Jahren kommt ein wegen Mordes Verurteilter Terrorist zum Familientreffen und sucht den, der ihn damals verraten hat.
Er trifft aber unter anderem auf frühe Aussteiger, laue Mitläufer, seine überforderte Schwester, die bürgerlich arrivierte Ex-Frau und seinen inzwischen erwachsenen Sohn, der die RAF eher für eine Art SS hält. Man redet viel, keift sich ein bisschen an und hat mit Alltagsproblemen und Beziehungsfragen mehr zu tun, als Strategie und Taktik der Revolution noch einmal durchzudiskutieren. Alles bleibt nur angedeutet, aber immerhin kommt die Vergangenheit vor. Und auch die Unschuldigsten fühlen sich ein bisschen unwohl, weil sie die Tage der Tat so weitgehend folgenlos überlebt haben.

-w-

D 2012. R + B: Nina Grosse K: Benedict Neuenfels D: Sebastian Koch, Katja Riemann, Barbara Auer, Tobias Moretti, Sylvester Groth, Robert Gwisdek., E: Interviews, Audiokommentar