SERGIO SOLLIMA
Leones älterer Bruder
Die "Cuchillo"-Trilogie
Ulrich P. Bruckner, Home Entertainment Chef bei Koch Media, treibt eine unglückliche Liebe zum Italo-Western um. Er hat schon ein dickes Fan-Buch veröffentlicht ("Für ein Paar Leichen mehr") und im eigenen Haus ein paar schräge Genre-Kracher herausgebracht, jetzt will er mit einer Sergio Sollima Italo-Western-Box (mit 4 DVDs und einem 252 S. Lexikon) museusmreif werden.
Sergio Sollima ist ein bisschen älter als Sergio Leone, fing aber erst nach ihm an, Western zu drehen. Und nach Der Gehetze der Sierra Madre, Von Angesicht zu Angesicht und Lauf um dein Leben (1966-1968) hörte er auch schon wieder auf und drehte was anderes.
Trotzdem ist seine Trilogie mit dem zappligen Exil-Kubaner Tomas Milian in drei sehr ähnlichen Haupt-Rollen bemerkenswert. Stets zieht der junge Gesetzlose ältere, rechtschaffene Männer in seinen Bann, manchmal gar ins Verderben, um umgekehrt an ihnen zu reifen. Kopfgeldjäger Lee Van Cleef etwa soll (gleich nach Leones zweitem Dollar-Film) den vermeintlichen Kinderschänder fangen, bis er erkennt, dass ein fieser Eisenbahnbaron eine Intrige spann (Drehbuch: Sergio Donati, der später für Leone "Spiel mir das Lied vom Tod" schrieb). Gian Maria Volonté (aus Leones erstem Dollar-Film), ein lungenkranker Professor auf Kur im Südwesten, gerät zufällig in Tomas Milians Bande. Deren wildes Leben weckt den Machtmenschen im Schwächling, während der Gauner Gefallen an Geist und Umgangsformen findet und sich angewidert von seinem Schüler zum Guten bekehrt. Bis er in Teil 3 einen US-Sheriff (John Ireland) dazu bringt, der mexikanischen Revolution einen Schatz zuzuführen.
Filmisch ragen Sollimas Western trotzdem nicht heraus: die Perücken sitzen schlecht, der Zoom pumpt herum, das Frauenbild ist furchtbar, die Kamara holprig, die Dramaturgie fast abwesend. Immerhin restauriert die Koch-Box die in ganz Europa (incl. Italien) grausam verstümmelten Kino- und Video-Fassungen wieder halbwegs sinnvoll. Die Bonus-DVD liefert dazu etwas planlos und unkommentiert gesammelte Werbeplakate, Trailer, Ausschnitte aus einer Super-8-Version, einen Fotoroman und Schauplatzvergleiche damals-heute, sowie ein Gesprächs-Feature (56 Min.) über den Regisseur. Muss jeder Sammler haben, sonst keiner.
Das ebenfalls beigepackte "Lexikon" ist eher ein Witz: 250 Titel mit Stabangaben, Knappst-Inhalt und Urteilen wie "Durchschnitt", "unterhaltsam", "relativ schwach" als Hardcover. Tz Tz. Das dazu gedruckte lange Interview mit Sollima (länger als auf der Bonus-DVD) ist informativer: "Ennio Morricone ist ein toller Komponist, er hat nur viel zu viel geschrieben". Etwa die Soundtracks der ersten beiden Sollima-Trilogie-Teile.
WING
Sollima Italo Western Box 4 DVD, Dolby 2.0, Deutsch / Ital. mit deutschen oder engl.Untertiteln, 105/107/119 Min. (ca. 25/16/24 Min. restauriert), Bildformat 2,35:1, Booklet, Lexikon.
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