REDS
Schwanengesang
Warren Beattys linksradikales Historiendrama erscheint erstmals auf DVD
Eigentlich war es eine Schnappsidee: Hollywoods schönster Schauspieler, der gerade mit Heaven can wait das Publikum millionenfach zu Tränen gerührt hatte, drehte Ende der 70er einen Film über amerikanische Kommunisten. Und: Die linken Socken kamen in dem Film auch noch gut weg. Die USA wurden als Überwachungs- und Polizeistaat geschildert, die russische Revolution wurde als Ereignis geschildert, das der Menschheit Hoffnung gab. Produziert wurde diese subversive Nestbeschmutzung von einem kapitalistischen Studio (Paramount - "A Gulf & Western Company"), der Film war über drei Stunden lang und hieß einfach und unverstellt nur Reds (und nicht etwa "10 Tage, die die Welt erschütterten" oder "Dein Herz gehört nur mir") - und wurde 12 mal für den "Oscar" nominiert. Beatty bekam ihn für die "Beste Regie".
Ein Vierteljahrhundert später wirkt der Film ebenso altbacken wie anrührend, aber er funktioniert immer noch.
Die Geschichte der Revolution ist vor allem die (wahre) Geschichte der Journalisten Jack Reed und Louise Bryant, im Film wortgewandt und aggressiv von Diane Keaton gespielt, die nie wieder so schön und so beeindruckend war wie hier.
Die Hälfte von Reds geht drauf für Beziehungsstreß zwischen Bryant und Reed. Beatty wollte offensichtlich keinen "Männer machen Geschichte"-Film drehen und ließ seinen Helden immer wieder gegen die argumentativen Wände der Bryant laufen. Was ist wichtiger: Kunst oder Politik? Wem schuldet der Künstler seine Loyalität? Kann man mit falschen Genossen das Richtige erreichen? Wo bleibt die Selbstverwirklichung? Und: sollte die Frau den Kaffee bringen, wenn Männer am Tisch über Politik streiten; Beatty zeigt deutlich: sie soll nicht?
Neben diesen Fragen, die durchaus ausufernd behandelt werden, zeigt Reds mächtige Bilder von mächtigen Ereignissen. Die Geschichte rollt unaufhaltsam durch den Film, wir sehen Lenin und Trotzki offenbar wichtige Reden halten - auf russisch! Beatty verweigerte seinem Film die billige Lösung, russische Heroen Englisch sprechen zu lassen. Oft steht sein Held ratlos in Moskau oder Petersburg herum, weil er nicht versteht, was die Genossen sagen; genau wie wir übrigens, denn der Film hat nicht einmal Untertitel für die russischen Sequenzen.
Vor allem sehen wir, privat und öffentlich, sehr leidenschaftliche Menschen. Aus der kühlen Distanz von heute betrachtet wirkt es unglaublich, dass Menschen früher einmal so viel Gefühle für Ideen oder einfach nur für einander aufzubringen imstande waren.
Für die Veröffentlichung auf DVD hat Paramount Warren Beatty noch einmal vor die Kamera geholt.
In einem langen, sehr klugen Special erläutert Beatty seine Gedanken und Motive, erzählt von den einjährigen Dreharbeiten, quer durch ganz Europa, und wie erstaunt und dankbar er war, dass Paramount den Film produzierte. Seine 13jährige Tochter hat sich neulich Reds angesehen, erzählt Beatty, und sie hat an den richtigen Stellen gelacht .
Auch der (ebenfalls mit einem "Oscar" ausgezeichnete) Kameramann Vittorio Storaro erzählt von damals. Er habe immer Schwenks gewollt, Beatty eine eher ruhige Kameraführung. Nach der Hälfte der Dreharbeiten erkannte Storaro, dass Beatty Recht hatte.
Die Cutterin erzählt, der englische Produzent, der Sonderberater... und immer wieder der altersweise, ironische, immer noch leidenschaftliche Beatty. Der Zurecht stolz darauf ist, was er damals hingekriegt hat: eine überlangen, anstrengenden Film über sympathische amerikanische Kommunisten und über eine Zeit, in der alles möglich zu sein schien.
Was das Special nicht erzählt: Als Reds 1981 ins Kino kam, war Ronald Reagan gerade ins Weiße Haus eingezogen. Auch in dieser Hinsicht ist der Film ein Schwanengesang.
Thomas Friedrich
Reds. 2 DVD. 25th Anniversary Editon. Diverse Extras. Paramount.
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