FAST WIA IM RICHTIGEN LEBEN

Bayerischer Widerstand

Gerhard Polts geniale TV-Show aus den frühen 80ern

Meistens guckt der deutsche Spießer ernst. Freundlich, aber ernst. Bedrohlich wirkt er eigentlich erst dann, wenn er lacht. Die deutschen Typen, die Gerhard Polt in den ersten Folgen seiner TV-Show Fast wia im richtigen Leben vorstellte, waren meistens arme Würstchen: Hundehalter, die ihren reinrassigen Schäferhund mit im Bett schlafen lassen, deutsche Vermieter, die ihrem schwarzen Mieter einen Guglhupf anbieten ("Gell, sowas kennen Sie da unten gar nicht, Herr Tschabobo, immer nur Bananen...").
Gerhard Polt, Hanns Christian Müller und Gisela Schneeberger waren die Heroen dieser TV-Show. Müller und Polt als Autoren, Polt und Schneeberger als Darsteller in wechselnden Masken zeigten, dass der scheinbar dumpfe bayerische Humor durchaus schneidend und vor allem wunderbar absurd sein kann: Polt, in aller Gemütlichkeit kauend, spricht in die Kamera: "Sie, diese Inder da, dass die so dünn sein, also i moan, i glaub fast, dass die so dünn san, so mager, des kimmt daher, also i glaub, die essen zu wenig."
Es dauert ein paar Folgen, bis man sich eine Maskenbildnerin oder zwei Regieassistenten leisten kann, eine Redaktion, einen zweiten Kameramann oder einen Cutter (der durchaus genialische Kamermann James Jacobs hatte in den ersten Jahren auch den Schnitt besorgt).
Die eher laienhaft agierenden Mitspieler der ersten Folgen wurden bald ersetzt durch Größen wie Jörg Hube oder Otto Grünmandl, Ruth Drexel oder Hans Brenner. Die Well-Brüder ("Biermösl Blosn") tauchen auf - was an bayerischem Widerstandshumor sich in den 80ern entwickelte, sammelte sich um Polt.
Statt der kleinen Spießer und armen Würstchen - die er weiter hingebungsvoll karikierte - rückten immer mehr die Schickeria-Verbrecher in den Vordergrund: der Sanierer, der Operngänger, der reiche Kulturfuzzi, der am Kamin über die Rechte der Arbeiterklasse plaudert, während er seinen Diener zusammenscheisst, weil der schon wieder vergessen hat, drei Eiswürfel in den Campari zu tun. Es war zum Brüllen und ist heute noch zum Heulen. Wenn je ein Deutscher in die Nähe des schrulligen, beissenden britischen Humors geriet, dann war es dieser bullige Bayer mit dem Babyface. Zudem: Polts schauspielerische Fähigkeiten waren und sind beachtlich; seine kleine Studie eines Brandstifters ("Nachtgedanken") ist pure Theaterkunst, ebenso komisch wie beängstigend.
Auf 4 DVD ist das in einer Box komplett zu besichtigen. Die DVD sind leider nicht sauber programmiert, und "Extras" gint's auch keine. Dafür wurden vier Polt-Arbeiten, die 's (teilweise Zurecht) nicht ins Fernsehen geschafft haben, auf einer 5. DVD versammelt. Aber zu der Serie - kein Wort. Dabei hätte man gerne erfahren, was sich zum Beispiel hinter dem Insider-Gag verbirgt, in jeder Folge eine (nicht auftretende) Figur "Rüdiger Wolf" zu nennen.

Victor Lachner

Gerhard Polt, Gisela Schneeberger: Fast wia im richtigen Leben. 5 DVD in einer Box, Kein & Aber, Zürich 2005