SAM PECKINPAH
Perfektion der Gewalt
Bei Warner Home Video erscheinen die beiden wichtigsten Peckinpah-Western in einer aufwendig produzierten»Special Edition«
Mit Major Dundee hatte Peckinpah in den 60ern gerade einen Mega-Flop produziert. Zwei Jahre lang bekam er keine Arbeit, bis die Warner Studios ihn mit der Regie zu einem ziemlich konventionellen, klein budgetierten Western beauftragten. Peckinpah zog nach Mexiko und schuf für 6 Millionen Dollar in 81 Drehtagen einen Western, wie man ihn nie zuvor gesehen hatte: The Wild Bunch war zynisch, melancholisch, brutal, und gilt mit seinen gut 3600 Schnitten immer noch als einer der Filme mit den meisten Cuts. Aus der 139minütigen Fassung wurden bald alle "Flashbacks" entfernt, also jene Szenen, die erklären, warum William Holden von Robert Ryan verfolgt wird. Bis in die 90er gab es nur diese verstümmelte Fassung.
Digital sehr gut erneuert, um einige weitere Szenen ergänzt (auch der böse General Mapache fiel damals der Schnitt-Schere zum Opfer) erscheint The Wild Bunch jetzt als Doppel-DVD. Zusätzlich zum Film (der von mehreren Pekinpah-Spezis und -Kennern gut kommentiert wird) gibt es auf der 2. DVD ein ausführliches Portrait (gesprochen von Kris Kristofferson), das nicht verschweigt, wie sehr Peckinpah auch Opfer seines Jähzorns und seiner eigenen Paranoia wurde. Und dass er nie wieder alles derart im Griff haben sollte wie bei diesem Film.
The Wild Bunch etablierte die Slow-Motion für Action-Szenen und eine ungezügelte, bis dahin unbekannte Gewalttätigkeit. Es begann wieder einmal eine Debatte über Gewaltverherrlichung im Kino, sinnloser als je zuvor, denn Peckinpah mag in seinen Szenen Gewalt präzise wie nie zuvor dargestellt haben, gefeiert hat er sie sicherlich nicht. Später beschwerte er sich: Wenn in meinen Filmen keine Tote vorkommen, will sie niemand sehen.
Peckinpahs nächster Western Pat Garrett & Billy The Kid (1973) war von Anfang an ein Desaster. Der Studiochef mochte ihn nicht, die Mittel waren knapp, die Drehtage zu kurz angesetzt, nicht mal für den "Director's Cut" blieb genug Zeit, also für jene Fassung, die Peckinpah dem Studio als Rohschnitt vorlegen sollte. MGM hatte gerade in die Hotelbranche investiert und eröffnete das "MGM Grant Hotel" in Las Vegas, weshalb dringend Geld in die Kasse musste. Peckinpahs Film wurde deshalb mit Hochgeschwindigkeit fürs Kino zurechtgeschnitten und verstümmelt.
1988 kam die sogenannte "Turner Preview"-Fassung ins Kino, um einiges länger und ergänzt um Szenen, die Peckinpah gedreht hatte und die es nie in den Film schafften. Jetzt war Pat Garrett zwar verständlicher, aber immer noch kein guter Film. Manche Szenen wirkten zu lang, manche fehl am Platze. 2005 entstand eine mehr oder wenige "integrale Fassung", die diese Mängel weitgehend behob, eine weitere Szene hinzufügte (Garrett besucht seine Frau) und kürzer und doch einleuchtender war als die "Turner"-Version.
Die Special Edition enthält zum Vergleich beide Versionen, jeweils aufschlussreich kommentiert von vier Peckinpah-Kennern, ergänzt um ein Interview mit Kris Kristofferson und einen Kurzbericht über die chaotischen Dreharbeiten.
Bei aller Verehrung für Sam Peckinpah sind sich alle Beteiligten einig darüber, dass Pat Garrett ein faszinierend misslungener Film bleibt, ein Western-Abgesang in schönen Bildern, dem eine Geschichte fehlt, ein Film, in dem sich atemberaubende Szenen mit schlampig heruntergekurbeltem Material abwechseln.
Sam Peckinpah war der Mann, der die Gewalt auf höchst verstörende Weise ins Kino brachte. Und dessen Filme zärtliche Momente enthalten, ohne kitschig zu werden. Er war ein paranoider, egozentrischer, drogensüchtiger Rebell, der seine besessen geführten Kämpfe mit den Studios auch deshalb verlor, weil er sie so schlecht führte.
Victor Lachner
The Wild Bunch DVD, Langfassung, digital restauriert, Kommentar, entfallene Szenen, Dokumentation: Sam Peckinpahs Western / Pat Garrett jagt Billy The Kid SE, 2 DVD, 2 Fassungen, Kommentar, Interview mit Kris Kristofferson / Die Sam Peckinpah Western Collection enthält obige Titel + Abgerechnet wird zum Schluß (1 DVD, Kommentar, Interview mit Stella Stevens) und Sacramento (1 DVD, Kommentar, Dokumentation: Ein Rückblick: Sam Peckinpah und "Sacramento")
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