DEADWOOD 1 Summe der Gier Eine Western-Serie erklärt uns die USA auf drastische Art und Weise Dem ollen Adam Smith hätte diese TV-Serie gefallen: in Deadwood, einem Westernstädtchen in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, gibt es kein Gesetz, keine Kirche (aber einen Friedhof), keine Moral. Was die kleine Gemeinde zusammenhält ist die Gier nach Reichtum. Der Kapitalismus-Erfinder Smith hätte dazu "Streben nach Wohlstand" gesagt, wäre aber anonsten einverstanden: Wenn alle nach persönlichem Glück streben (auf vernünftige Weise, selbstverständlich), nützt das der Gemeinschaft; Guido Westerwelle glaubt das heute noch. Das Kaff "Deadwood" hat es wirklich gegeben: in South Dakota, mitten im Indianergebiet, unterstand die Stadt (die zu besten Zeiten immerhin 10.000 Einwohner hatte) nicht mal der zentralen Regierungsgewalt. Hier war rein formal nicht Amerika, hier konnte jeder machen, was er wollte. Haftbefehle waren nicht vollstreckbar, Steuern mussten nicht gezahlt werden. Deadwood-Erfinder David Milch (der schon NYPD entwarf und damit TV-Geschichte schrieb) zeigt überdeutlich, was das alles bedeutet. Der fiese Saloon-Besitzer killt regelmäßig Widersacher und unfähige Handlanger im Hinterzimmer (und entsorgt deren Leichen bei den fetten Schweinen des Chinesen Wu), sein Konkurrent von der anderen Straßenseite (großartig verschlagen: Powers Booth) erschlägt kleine Mädchen mit der blanken Faust, der schmierige Hotelbesitzer arrangiert "Unfälle" für dusselige Goldminen-Besitzer - es gibt keinen Sheriff, keine Ordnung, die eingreifen würden.In Deadwood herrschen die nackten Einzelinteresseren. Dass die Summe aller Gier zu einem verantwortlichen Gemeinwesen führt, wird im Verlauf der Serie schön entwickelt. Nach den ersten äußerst brutalen Folgen der für den amerikanischen TV-Kanal HBO produzierten Serie entsteht im Camp fast so etwas wie Zivilisation. Aus purem Eigeninteresse entsteht eine Art Verwaltung. Als die Pocken ausbrechen, organisiert man die Pflege der Kranken, Konflikte werden diskutiert statt ausgeschossen - alles aus purem Eigennutz, denn wer gute Geschäfte machen will, hat auf Dauer nichts davon, wenn seine Kundschaft ständig erschossen wird. Wir sehen zu, wie sich eine Gessellschaft organisiert. Weil eine These allein keine gute Geschichte ergibt, hat Milch um ein paar historische Figuren herum (Wild Bill Hickok, Calamity Jane, Seth Bullock) eine fulminante Intrigengeschichte entworfen. Ob dreckig, fluchend oder moralisch verkommen wachsen uns die Figuren langsam ans Herz, vor allem der böse Saloon-Besitzer wird zum Zentrum der Serie, ein fulminanter Schurke Shakespear'schen Ausmaßes, der abwechselnd wunderbare Sätze und dumpfeste Flüche ausstoßen muss; soviel "fuck" und "cocksucker" war noch nie im Fernsehen zu hören. Dass der Wilde Westen vorwiegend dreckig war, wissen wir seit den Italo-Western. Aber selbst die sehen wie eine gut gefegte Puppenstube aus im Vergleich zu dem Schlamm, in dem Deadwood und seine Bewohner zu ertrinken drohen. Auch die Huren und ihre Freier waren noch nie so schmutzig (und nackt) wie hier. Auf den Fan-Seiten diskutiert man bis heute, ob so viel Schmutz ins TV gehört. Weil HBO ein reiner Abo-Kanal ist, kann er sich das leisten. Schon mit den Sopranos war man dort weiter gegangen als üblich und möglich. Auf vier DVD ist die erste Staffel erschienen, im Gegensatz zur US-Ausgabe hat der deutsche Vertreiber Paramount die üppigen Extras entfernt, aber immerhin die (unbedingt sehens- beziehungsweise hörenswerte!) englische Fassung in Ruhe gelassen; die deutsche Synchronisation ist zwar nicht schlecht, steht dem Original aber bisweilen hilflos gegenüber. Vor allem den Chef-Bösewicht muss man im Original fluchen und säuseln gehört haben. Da kommt die deutsche Stimme nicht mal Ansatzweise mit. Auf Premiere soll bald die 2. Staffel anlaufen, in den USA wird gerade über die 4. verhandelt. Alex Coutts Deadwood 1 Englisch: Dolby 5.1, Deutsch: Dolby Sorround. 4 DVD-Box, keine Extras
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