Kurztipps Juli 2007
JAPAN
Stormriders - sehr oft im japanischen Kino haben zwei Brüder miteinander Krach. Hier sind es "Wolke" und "Wind", Zieh-Söhne eines fiesen Fantasy-Fürsten, der nach der Weltherrschaft greift. Das vermiesen ihm die Streithähne nach moralischer Läuterung. Wildes Garn, das 1998 zum ersten Mal in Hongkong Wire-Work und CGI-Effekte kombinierte. Davon handeln auch die meisten Extras.
Nightmare Detective - ein bisschen David Lynch, ein bisschen Wes Craven, und ganz viel japanisches Grusel-Kino: eine Polizistin ermittelt hinter Leichen her, die sich scheinbar im Traum selbst filetierten. Ein Traumdetektiv hilft, ein Mörder taucht auf, aber da ist jede Story-Logik schon verschwunden. Es soll als Extra ein langes Interview mit dem Regisseur geben, unser Sichtungsmuster hatte nur Trailer als Bonus.
INDIEN
Naina - Furchtbares geschieht: es gibt immer mehr Bollywood-Filme ohne Gesang und Tanz. Dafür fallen kleine Mädchen in Regentonnen auf dem Dach, und eine schöne Hornhauttransplantierte sieht plötzlich den Tod persönlich bei der Arbeit. Naina ist das indische Remake der thailändischen Vorlage The Eye, die wiederum allerlei japanische Grusel-Motive zitiert. Und es geht, erstaunlich für die Gegend, nur halb-gut aus.
Between the Lines - Indiens drittes Geschlecht zwischen Mystik, Spiritualität und Prostitution - man weiß nicht viel über die Hijras, die Eunuchen Indiens. Wie viele gibt es? Woher kommt diese zugleich schrille und sehr traditionelle Transsexuellen-Kultur? Seit 10 Jahren fotografiert die Inderin Anita Khemka Hijras beim Betteln und Tanzen, beim Beten und auf dem Strich. Jetzt folgte ihr der deutsche Dokumentarfilmer Thomas Wartmann mit ruhigen, beeindruckenden Bildern. Am Ende hat man nichts verstanden, aber man hat eine sehr fremde Welt gesehen.
TERROR
Ausnahmezustand - 1998 drehte Ed Zwick diesen intelligenten Thriller über arabische Terroristen in New York und nahm auf geradezu unheimliche Art und Weise vorweg, was nach dem 9/11 in Amerika passieren sollte. Jetzt erscheint der Film als "Definitive Editon", ergänzend zum Film erklärt eine zweite DVD, wie der Film entstand und was er heute bedeutet: Dass ein US-General einen Verdächtigen während eines Verhöres erschießt erschien damals so unrealistisch wie die Internierung Tausender von Arabern.
GESCHICHTE
Apocalypto - Mel Gibson Maya-Metzelei ist authentisch bis ins Tattoofärbemittel und die originale Maya-Sprache (aber die Damen tragen sichtbar Tangas unterm Fell, damit man nicht aus Versehen was sieht), und es wird erlesen geblutet, geschlitzt, geschlachtet. Nur fragt man sich: Was will er? Die Geschichte einer Invasion erzählen? - Viele Bilder sehen aus wie aus Apocalypse Now. Oder Oswald Spengler im Urwald zeigen? - Das Anfangszitat erklärt, nur innerlich marode Zivilisationen würden erobert und untergehen. Oder geht es doch nur um den Satz, dass Angst das Schlimmste ist, was einem Krieger passieren kann? - was Gibsons Audiokommentar andeutet. Was auch immer: Optisch und atmosphärisch ist das Überwältigungskino vom Feinsten. Ein kurzes "Making of" auf der DVD erklärt nur Ansatzweise, was für eine logistische Leistung dieser Film war.
Der letzte König von Schottland - Forest Whitacker ist Idi Amin. So beeindruckend pendelt er zwischen Gemütlichkeit und Monstrosität, jovialem Poltern und bösartiger Lust an der Macht, dass er dafür mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Der Dokumentarfilmer Kevin Macdonald drehte seinen ersten Spielfilm vor Ort in Uganda. Wir sehen Amin mit den Augen seines (fiktiven) schottischen Leibarztes, der nach Afrika kam, um ein guter Mensch zu sein. Langsam gerät er in den Bann Amins, dessen Gräuel immer außerhalb der Bilder stattfinden. Als Extra gibt es einen Regie-Kommentar, nicht verwendete Szenen, ein paar Bilder vom echten Amin und einen TV-Beitrag über das Casting.
SATIRE
Ideocrazy - Idiot wacht in der Zukunft auf und stellt fest, dass alle so blöde geworden sind, dass er der klügste Mann der Welt ist. Die nette Idee versandet schnell in einem lausigen Drehbuch und einer dilettantischen Inszenierung. Die DVD enthält ein paar Deleted Scenes.
Little Miss Sunshine - Leben heißt Leiden, aber nach Proust definiert uns nur die Leidenszeit, nicht das Glück. Hieraus eine Komödie zu machen, ist nicht leicht. Aber mit Greg Kinnear (als klemmiger Dad) und Alan Arkin (als koksender Opa) macht sich eine Art Klimbim-Familie auf den Weg, der Tochter den Wunsch zu erfüllen, an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Das Ding kommt langsam in fahrt, hat einen starken Mittelteil und einen schwachen Schluss. Wie schwach der ist, erklären uns die Regisseure in 4 alternativen Enden und einem Regiekommentar.
MAGIE
The Prestige - Christopher "Memento" Nolan inszeniert den Einbruch der Moderne ins viktorianische Zeitalter als Duell der Magier. Hugh Jackman und Christian Bale liefern sich in London eine Schlacht um das beste Zauberkunststück, nehmen einander Frauen und Zaubertricks weg und lassen sich von Nicola Tesla Zaubermaschinchen bauen. Superb: Die Nebenrollenbesetzung mit Michael Caine, Scarlett Johansson und David Bowie. Ein paar Extras erklären Machart und Intention des letztlich etwas luftleeren Kostümdramas.
SEX
Shortbus - eigentlich wollte er nur einen Film mit Leuten, die wirklich miteinander vögeln. Als er die zusammengebracht hatte, dachte er sich die passende Geschichte dazu aus - sagt Regisseur John Cameron Mitchell. Die Extras der DVD zeigen, wie die zwei Jahre mit Workshops vergingen, bevor der überaus fröhliche und sinnliche (und erst "ab 18" freigegebene) Film daraus wurde. Der Steelbox liegt außerdem eine CD mit dem Soundtrack bei.
KOMIK
Scoop - Scarlett Johansson kann auch komisch sein. Für Woody Allen erlegt sie Hugh Jackman und rettet (mit Ian "Deadwood" McShane als abgebrühter Journalist) diese überschaubare Komödie vor der vollkommenen Langeweile. Keine Extras.
The Big Noise - Der große Krall - Eigentlich jobben Stan Laurel und Oliver Hardy nur als Putze bei einem Detektiv. Aber dann geraten sie an einen lukrativen Leibwächterjob bei einem verrückten Wissenschaftler. Dessen vollautomatisierte Wohnung sorgt für ein paar Slapstick-Gelegenheiten, Spione, Juwelendiebe und ein japanisches U-Boot tauchen auf, aber trotzdem gilt The Big Noise Laurel & Hardy-Anhängern als ihr vermutlich schlechtester Langfilm. Immerhin ist er auf DVD im Original mit Untertiteln deutlich länger als die sinnlos verkürzte Synchron-Version.
DEKOLTEE
Petroleum Miezen - Brigitte Bardot und Claudia Cardinale wetteifern im Wilden Westen darum, wer das Erdöl auf der "Little P"-Ranch kriegt; und wer das schönste Dekoltee hat (der Preis geht an Frau Cardinale). Ansonsten ist diese Western-Parodie aus den 70ern erschreckend unkomisch und dilettantisch gemacht. Kein Vergleich zu Louis Malles Revolutionswestern Viva Maria, bei dem sich Christian Jaque einiges abgucken wollte. Die DVD enthält 2 Tonspuren und eine Bildergalerie.
KLOPPE
Sword of the Moon - Koreanisches Epos über 2 Freunde, die erst in der Palastwache des Kaisers dienen, sich nach einem Putsch aber auf verschiedenen Seiten des Schlachtfeldes wiederfinden. Üpig und koreanisch rasant inszeniert, enthält der Film keinerlei Überraschungen. Die "Special Edition" enthält jede Menge Making Ofs zu einzelnen Szenen.
DROGEN
Candy - die australische Variante von Requiem for a Dream: Junges Pärchen erlebt Liebe und Exstase im Drogenrausch und stürzt dabei mächtig ab, bis die Liebe und das Geld weg sind. Das hier hat allerdings keine Idee, keine Pointe (im Gegensatz zu Aronovskys Meisterwerk), nur Heath Ledger, der sich mächtig Mühe gibt, wie ein Schauspieler zu wirken. Nett am Rande: Geoffrey Rush als schwuler Drogenpapa, der die Kids immer wieder mit Stoff versorgt. Die DVD enthält eine B-Rolle und ein paar Interviews.
KLASSIKER
Ein kurzer Film über das Töten - Krystof Kieslowski wurde 1988 mit diesem Film schlagartig berühmt. Die Kinofassung des 5. Teils seiner TV-Serie über die 10 Gebote zeigt zwei Tötungen in einem kalten, graubraunen Warschau ohne Hoffnung. Ein junger Mann ermordet grundlos einen Taxifahrer - und der Staatapparat richtet den Täter ordentlich hin. Beides ist quälend anzusehen. Extra: ein Interview mit dem Kameramann Slawomir Idziak, der später optisch so gelackte Filme wie Gattaca fotografierte.
INDIEN
Sarkar - Bollywood-Filme müssen nicht immer Musicals sein, aber sie müssen immer groß und breit und lang sein. Und Amitabh Bachchan muss eine Vaterrolle spielen. Diesmal ist er der Pate von Bombay und hat Stress mit seinen Söhnen. Einer ist brutal, Filmregisseur und möchte Paten anstelle des Paten werden. Der andere hat in Amerika studiert, ist ein Weichei und wird der nächste Pate. Die Verbrecher wider Willen überführen hohe Politiker und Geistliche der Korruption und scheinen die einzige Hoffnung für das Volk.
Krissh - meistens ist Bollywood allerdings Heiteitei mit Beineschmeissen und Herzklopfen aber ohne Küssen. Die Bilder schwelgen in Natur- und Stadtlandschaften (hier Himalaja und Singapur), ein halbes Dutzend bekannter Szenen wird wie beim Karnevalsumzug nachgebaut (Spiderman, Tiger and Dragon, Minority Report ...) - hach. Hrithik Roshan spielt seinen eigenen Sohn aus dem E.T.-Nachbau Sternenkind und wird Indiens erster maskierter Superheld. Es gibt ein paar komische Stellen, es wimmelt von Product Placement, aber es gibt keinen Hauch von Ironie. So modern ist die weltgrößte Heimatfilmindustrie noch nicht. Auf einer Bonus DVD werden die Musik- und Action-Szenen und der Sternenkind-Hintergrund erklärt.
FAMILY VALUES
American Dad - die erster Staffel einer ziemlich abgedrehten Anti-Bush-Animation. Der Familien-Vater ist ein Idiot beim CIA, das Familienmaskottchen ist ein Goldfisch mit dem Gehirn eines DDR-Skispringers, ein Alien sitzt am Tisch, liberale Tochter und Versager-Sohn streiten sich über alles mögliche ... der übliche Sitcom-Quatsch, nur diesmal explizit zur Verunglimpfung der herrschenden Kultur. Auf den 3 DVDs gibts als Extra Audiokommentare.
KUNSCHT
Bye Bye Blackbird - Liebe & Intrige im Wanderzirkus, immer ein gern genommenes Sujet für Leute, die Poesie mit Kitsch verwechseln. Hier läßt der gelernte Fotograf Robinson Savary seinen Bildern im Kopf freien Lauf. Die DVD enthält keine Extras.
LIEBE
Hwal - Der Bogen - wieder auf dem Wasser (wie in Seom), braucht Regisseur Kim Ki-Duk gar keine Worte mehr um die Geschichte von dem alten Mann und dem kleinen Mädchen zu erzählen. Der Alte lebt auf einem Boot und hat das Mädchen vor Jahren gefunden. Wenn sie 17 ist, wird er sie heiraten. Da taucht ein junger, schöner Mann auf... Die beiden Hauptfiguren sind den ganzen Film über nicht zu hören, die Geschichte wird von Bildern, Gesten und Musik vorangetrieben, und wer schon einmal einen Kim Ki-Duk-Film gesehen hat, weiß, dass es dabei keineswegs langweilig zugeht. Bei aller Kontemplation ist jedes Bild überraschend. Die DVD enthält ein langes Making Of.
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