Kurztipps Oktober 2006
DEUTSCH
Elementarteilchen - im Moment lecken ihm ja noch alle die Schuhe als bedeutsamen Literaturverfilmer. Aber vielleicht wird Bernd Eichinger doch eher in die Filmgeschichte eingehen als der Produzent, der eine heimliche Liebe zu frauenfeindlichen Stoffen pflegte. Das reicht dann, bei d e r Konkurrenz, wohl nur zu ner Fußnote, aber mit diesem Film hier hat er sie sich redlich verdient. Andererseits: aus einem dummen Buch einen blöden Film zu machen ist auch ne Leistung.
TIERISCH
Madagascar - eine Bande Zoo-Tiere aus New York gerät wider Willen nach Afrika und lernt dort die Zivilisation und ihre Werte (etwa Freundschaft) schätzen. Die Dreamworks-Animation setzt auf Tex Avery-Tradition und Erwachsenen-Witze. Rasant cartoonig gezeichnet, macht das Abenteuer viel Spaß, ist aber emotional etwas unterbelichtet und dramaturgisch ein ungarer Schnellschuß. Die Pinguine sind trotzdem eine Schau. Extras erläutern mit viel Liebe die amerikanische Stimmbesetzung. Madagascar erscheint, wie alle Dreamworks-Filme zur Zeit, mit einer beigepackten Hammy Hecker-DVD. Das ist das Eichhörnchen aus Ab durch die Hecke und die vielen Features sind lustig.
Tierisch Wild - eine Bande Zoo-Tiere aus New York gerät wider Willen nach Afrika und lernt dort die Zivilisation und ihre Werte (Vater-Sohn-Beziehungen) schätzen. Disney ließ eine neue Effektfirma zaubern, weil sie sich gerade mit Pixar überworfen hatte. Die animierte ihre Stofftiere vorzüglich, brachte aber die vielen Beiseite-Scherze nicht mit der Disney-Seelentiefe zusammen. Eine fertig aufgenommene Löwen-Mutter etwa wurde gestrichen, weil sie die Handlung störte. Dafür gibt es einen Drogentrip à la Dumbo. So kam Tierisch Wild erst nach Madagascar heraus und sieht nun aus wie Deep Impact nach Armageddon. Im Bösen wie im Guten.
Die Reise der Pinguine - als die pathetische Dokumentation im Stile der Disney-Filme der 50er und 60er Jahre in die Kinos kam, hieß es, die deutsche Synchronisation habe eine verniedlichende Kitsch-Version hergestellt. Tatsächlich entspricht die unsägliche Ich-Form des Films (Pinguin-Weibchen aus dem Off: "Wir haben uns ewige Liebe geschworen!" - bei der Kälte hält eben alles länger) der französischen Fassung. Die DVD enthält eine sachlichere Sprachfassung, eingesprochen von Sky Du Mont mit seiner etwas schmierigen "Apotheken-Umschau"-Stimme. Dazu gibt's einen Regie-Kommentar, eine interaktive Filmversion und eine Text-Version der Produktionsgeschichte. Auf einer zweiten DVD gibt's Haufenweise Dokus zur Doku, die zum Teil spannender sind als der Hauptfilm. Und ein Interview mit Sky Du Mont (auf der DVD schreibt er sich wirklich so), der erzählt, dass er das ständige Aufderbühnestehen eingestellt habe, da er das als "Eingriff in sein Privatleben" empfinde... die Pinguine sind eindeutig sympathischer.
POLITISCH
Lord of War - Nicholas Cage als Waffenhändler führt uns durch eine böse Satire über das Geschäft mit Kleinwaffen und Konflikten. Der Film ist eher gut gemeint als wirklich gelungen, dafür bietet die DVD, neben einem Regiekommentar, ein sehr aufschlussreiches Feature über die Dreharbeiten (Südafrika musste 13 Länder "spielen") und eines über den wirklichen Waffenhandel. Und wie so oft weiß man am Ende, dass die Wirklichkeit viel grausamer ist.
KALTBLÜTIG
Capote - erst mit Hilfe der englischen Tonspur der DVD kann man Philip Seymour Hoffmans Capote-Darstellung überhaupt würdigen, der mit qietschiger Babystimme die Tragödie eines lächerlichen Mannes vorführt. Der ungemein präzise und eindringliche Film über zwei Monster, die in den 60ern aufeinander stießen und einander berühmt machten, wird ergänzt durch zwei Audiokommentare und drei Features über die Dreharbeiten.
GRUSEL
Romasanta - Julian Sands ist möglicherweise ein Werwolf, der dort vor langer Zeit einmal wegen Mordes vor Gericht stand. Tatsächlich belegen die Dokumente, dass mal ein überführter Frauenschlächter wegen "Lykanthropie" und eingeschränkter Willensfreiheit freigelassen wurde. Die Regie verspielt die moderne Tiefe an schöne Kostüme. Die Extras erklären Land und Folklore.
Happy End. - für 7000 Euro stemmte Kunststudent Oliver Stieglitz mit Freunden sechs Wochen Drehzeit und einen drei Stunden langen Rohschnitt. Nach Entfernung einiger Personen und Handlungsstränge ist eine nett gruselige Provinz-Variante von Der Ring, Dark Rain und Ähnlichem heraus gekommen. Zwar sieht man hier und da noch Laienhände, aber auch schon viel Schreckliches. Eine Bonus-DVD enthält ein langes Making Of und viele geschnittene Szenen.
KRIMI
Basic Instinct 2 - wäre ein ganz normal verunglückter Hochglanz-Krimi, würde nicht diese abgewrackte Blondine durch den Film latschen, der angeblich alle Männer und Frauen verfallen. Immerhin: man verkneift sich Nahaufnahmen weitgehend, aber auch aus der Ferne wirkt Ms. Stone ganz schön abturnend. Die kurzen Extras zeigen, dass der Verleih auch keinen Bock hatte.
Inside Man - ein schönes Stück Genre-Kino, relativ unprätentiös verfilmt von Spike Lee, andererseits einer dieser Intelligenz-Krimis, die sich ständig selbst austricksen und daher letztlich mäßig spannend sind. Ein Banküberfall sieht aus wie vorgetäuscht, ein Cop wirkt korrupt, und kann Jodie Foster wirklich die Böse sein? Die Top-Besetzung (Denzel Washington, Clive Owen, Willem Dafoe, Christopher Plummer) reisst vieles raus, das sexistische Frauenbild des Regisseurs allerdings ist nicht zu übertünchen. Die DVD enthält keine Extras.
SEX
Boogie Nights - mit der Sex-Tragikomödie präsentierte sich P.T. "Magnolia" Anderson vor knapp 10 Jahren als frühvollendetes Genie. Um so trauriger, dass der schönes Film über die jüngere Porno-Geschichte nur als DVD mit falschem Bildformat und ohne Extras zu haben war. Seit Juni gibt es jetzt eine Doppel-DVD mit zwei Audiokommentar-Spuren (vom Regisseur und seinen Schauspielern Mark Wahlberg, Heather Graham, Julianne Moore), kommentierten "Deleted Scenes", einem Musik-Video und einer - als Easter Egg versteckten - Dokumentation über John C. Holmes, das reale Vorbild für Dirk Diggler. Dass man dazu jetzt auch diesen immer wieder sehenswerten Film (mit unglaublich jungen Helden wie Bill Macey, Don Cheadle und Philip Seymour Hoffman) endlich im 16:9-Format zu sehen bekommt, erscheint einem wie ein weiteres "Extra".
LIEBE
Enduring Love - intelligente Verfilmung des gleichnamigen Ian McEwan-Romans: bei einer Rettungsaktion stirbt ein Mensch. Joe, einer der Helfer, ist nicht sicher, ob er daran schuld ist. Plötzlich tritt ein Stalker in Joes Leben, seine Freundin Claire ist irritiert über Joes Verhalten, und eigentlich diskutieren Buch und Film auf hohem Niveau das Thema Liebe und Einsamkeit. Im Film, das ahnen wir, siegt die Liebe. Aber der Weg dahin ist spannend und klug inszeniert, und man kann sehen, was für ein hervorragender Schauspieler Daniel Craig ist, wenn er nicht gerade James Bond spielt. Die DVD enthält ein paar nette Extras vom Dreh, ein Interview mit Ian McEwan ("Die Verfilmung eines Romanes ist eine einzige Abriss-Aktion; ich liebe es, wenn es nicht gerade mein Roman ist undwenn ich es nicht selbst tun muss) und den fröhlich-blödelnden Kurzfilm Burst.
The New World - Terence Maliks prätentiöses Epos über die Jamestown-Siedler und die Indianer-Prinzessin Pocahontas ist restlos vergurkt. Aber ausführliche Specials zeigen, wie viel Mühe man sich dabei gegeben hat. Selbst die Truthahn-Federn in den Indianer-Kostümen waren echt. Toll. Aber ein Film ist keine Grabungsstätte.
ROAD MOVIE
Sommerhundesöhne - Muttersöhnchen rammt Motorrad eines Hallodris, beide machen sich auf eine wilde Reise vom deutschen Ikea-Parkplatz aus bis fast nach Marokko. Ruppig, aber reizend. Die ausführlichen Extras präsentieren entfallene Szenen, ein Making Of und einen Audiokommentar.
COMIC
Das kleine Arschloch - passend zum Kinostart des zweiten Teils gibt's jetzt den versautesten, intelligentesten, christenverachtensten und seniorenfeindlichsten Bewegtbild-Comics Deutschlands auf DVD. Leider beschränken sich die Extras werbend auf einen Trailer zu Teil 2 und Ausschnitten aus dessen Sprachaufnahmen mit Helge Schneider.
STARKE FRAUEN
Fremde Haut - Fariba liebt eine Frau. In ihrem Heimatland Iran steht darauf die Todesstrafe. Also flieht sie nach Deutschland. Dort wird ihr Antrag auf Asyl abgelehnt. Um bleiben zu können, nimmt sie die Identität eines toten Mannes an. Dann verliebt sie sich, in eine Frau natürlich. Im Making of erzählt Hauptdarstellerin Jasmin Tabatabai von ihren unrasierten Beinen.
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