Kurztipps März 2006

FAMILIE

Die besten Jahre - Marco Tullio entwirft eine Familiensaga um zwei Brüder, die sich in Italien in den Wirren der 70er Jahre zwischen Psychiatriereform, Studentenprotesten, Fabrikbesetzungen und Roten Brigaden in entgegengesetzte Richtungen entwickeln. Entfernt erinnert das an Reitz' Heimat-Zyklus, nur dass Giordana keine Angst davor hat, die gesellschaftlichen Umbrüche mit melodramatischen Gefühlskino zu verbinden. "Das Persönliche ist politisch!ö war die Doktrin der 68er. In diesem Film, in dem Freundschaften, Liebesbeziehungen und Familienbande in die Mühlen der Zeitgeschichte geraten, erkennt man, dass die Umkehrung des Satzes der Wahrheit viel näher kommt. Das ergibt 366 mitreißende Filmminuten und eine Hand voll Interviews bei den Extras

POLITICS

Paradise Now - rührender, etwas thesenartiger Film über den letzten Tag zweier arabischer Selbstmordattentäter. Zwischen stiller Komik (die Kamera fürs Abschiedsvideo der Märtyrer klemmt) und großer Geste bleibt am Ende das Gefühl, dass alle irgendwie Recht haben.

L.A. Crash - wäre nicht die schmierige Musik von Mark Isham, wär's ein Meisterwerk. Aber trotz der Soundbrühe ist diese Hommage an Magnolia einer der besten Filme des letzten Jahres. Derart krass und anrührend wurden Los Angeles und der alltägliche Rassismus selten dramatisiert. Don Cheadle, Sandra Bullock, Brendan Fraser und Matt Dillon führen durch eine Kriminalgeschichte, in der jeder Rassist und doch keiner einfach nur "böse" ist. Als Extra gibt's einen kleinen Blick hinter die Kulissen mit ein paar - ausnahmsweise klugen - Interviews.

Die fetten Jahre sind vorbei - Hans (Das weisse Rauschen) Weingartner erzählt eine kleine Geschichte mit anarchistischem Charme. Daniel Brühl und Stipe Erec brechen bei Bonzen ein, verrücken die Möbel und hinterlassen nur eine Warnung "Du hast zuviel Geld". Dann kommt Julia Jentsch ins Spiel und alles geht schief.

TWISTED

11:14 - schwarzhumoriger Krimi, der einen Haufen böser Kleinstadt-Storys alle um 11:14h aufeinanderprallen lässt. Die Idee trägt ca. ne halbe Stunde, danach wird's leider absehbar. Mit nettem Gastauftritt dabei: Barbara Hershey und Patrick Swayce. Als Extras gibt's ne langweilige B-Rolle und ein paar Interviews.

dot the i - feurige Spanierein steht kurz davor, den Langweiler des Jahrhunderts zu heiraten, als ihr ein ebenso feuriger Brasilianer vor die Füße fällt. Halb zieht sie ihn, halb sinkt er hin, und dann war alles ganz anders und eine Inszenierung für ein Reality-Movie. Matthew Parkhills (Regie & Buch) hatte leider keine Idee, wie man das dreht. Weshalb der Film alle Spannungsbögen plattdrückt und 100 Meter Anlauf nimmt um dann 10 Zentimeter zu springen. Keine Extras, aber ein böses Ende.

BLUTIG

Carne Vale - Fastnacht der toten Seelen - zwei Studenten aus Mainz haben diesen Splatter-Karneval als WG-Spaß angerichtet. Ein Nudelsalat bewegt sich schon, ein Loser isst davon, und irgendwie wanken bald Zombies durch den Rosenmontags-Zug und Jecken verrecken, die es eh nicht anders verdient haben. Sehr krude, sehr komisch und bei aller Hast (schließlich wurde im Original-Fastnachtstrubel auf offener Straße gemetzelt und gedreht) in Teilen geradezu genial.