Kurztipps Februar 2006

STANDBILDER

2046 - Wong Kar Wais Tableau-Kino serviert mal wieder erlesene Bilder, ausgefuchste Kamerapositionen und schönes Licht. Die Liebesgeschichte hinter diesem Kunsthandwerk berührt nicht sonderlich. Paramount spendiert dem Film jetzt eine Doppel-DVD, die erste enthält den Film, die zweite ein ermüdendes "Making of", eine B-Rolle und 1 Interview; sowas passt eigentlich auf eine Scheibe.

Sin City - Bilder, Brutalität und Wahnsinn aus Frank Millers gleichnamiger Comic-Serie sind hier 1:1 übersetzt worden. Das ergibt einen leidlich spannenden Film, aber einen bemerkenswerten. Vor allem weil die Weinstein-Brüder mit ihrer Firma Dimension noch einmal zeigten, welchen Mut als Produzenten sie aufzubringen bereit waren: nicht-jugendfreie Filme produziert heute kaum noch jemand; Dimension-Besitzer Disney fühlte sich auch offensichtlich unwohl mit dem Film und verschob den Kino-Start in Deutschland erstmal. Die DVD enthält als Special nur einen lausig-kurzen Blick hinter die Kulissen. Da werden wohl weitere "special editions" auf uns zukommen.

WASSER

Aliens der Meere - dokumentiert James Camerons Wandlung vom Abyss-Regisseur zum Sponsor teuerer Tiefsee-Expeditionen. Die Tauchaufnahmen von tiefen Tieren und fortgeschrittener Technik sehen gut aus und lappen per Computertrick und Spielfilm-Schnitt immer wieder von der Doku ins duselige Drama. "Wie müssen die Meere kennen lernen, bevor wir zum Mars gehen" ist die Botschaft. Eher Werbeclip als Populärwissenschaft.

TÖNE

Touch the Sound - Thomas Riedelsheimer, der mit der ruhigen Doku Rivers and Tides über den Land Art-Künstler Andy Goldsworthy berühmt wurde, geht jetzt auf eine laute Reise mit der Solo-Perkussionistin Evelyn Glennie. Rund um ein improvisiertes Konzert mit dem Experimental-Töner Fred Frith klappert und trommelt und pingt und plockt Evelyn in der Welt herum. Riedelsheimer montiert darum Stadt-Sounds und Tauben-Rhythmen, feinste Klänge und fernes Brummen. Das sieht gut aus, das klingt mitreissend, und am besten: der Film vermeidet jede Esoterik-Anmutung.

AUA

Jackass - 4 DVDs voller lustvoller Selbstverstümmelungen. Johnny Knoxville kommentiert seine Jugendsünden und liefert Material, das nicht mal MTV senden wollte. Wer Brustwarzentackern für Extremsport hält, findet hier sein ewiges Olympia.

GESCHICHTE

Antonio Negri - Eine Revolte, die nicht endet - solide aber unaufregende Dokumentation über die Widerstandsgeschichte Italiens von den frühen 60ern bis heute, festgemacht an dem linken Professor Negri, der als Kopf der Roten Brigaden verurteilt wurde (was er nicht war), in Frankreich im Exil lebte und heute, wieder in Italien, einer der Vordenker der Globalisierungsgegner ist. Das vom ZDF coproduzierte Stück linke Geschichte glänzt durch arge Verkürzung der Historie, lebt aber von seinem sympathisch temperamentvollen Protagonisten. Als Zugabe enthält die DVD zwei Vorträge, für die man Englisch und Italienisch können muss, weil an den Untertiteln gespart wurde.

REMAKE

Kingdom Hospital - Stephen King ließ Lars von Trier das amerikanische Remake der dänischen Grusel-Klinik-Mini-Serie produzieren. Am besten ist es, wo es genau so wie das Original aussieht.

WESTERN

Western von Gestern - Jugendsünden von John Wayne, Wiederentdeckungen des Kult-Cowboys Roy Rodgers, das Komischste von Fuzzy ... fast alles, was Väter von heute früher nicht im deutschen Fernsehen sehen durften - und was noch eine Generation davor im amerikanischen Kino als Kulturfilmersatz lief. Jetzt gibt es die Kurz-Western nach Helden sortiert auf 8 DVDs. Leider ohne filmwissenschaftliche Extras.

Django - sein Name steht für den Italo-Western insgesamt. 20 Original-"Django"-Filme gab es, 16 davon kamen nach Deutschland, aber 44 Nicht-Djangos kriegten in der deutschen Fassung den Helden als Marke verpasst. Sowas lernt man im kenntnisreichen Booklet zur Django-Box. Die liefert, neben einer Soundtrack-CD, drei erstaunliche Filme, digital remastert und restauriert. Alle behandeln sozusagen das Doppelgesicht der Django-Gesalt: Einer (10.000 blutige Dollar) war 1967 ein Django-Film, wurde aber nicht als solcher vermarktet; einer (Die Bibel ist kein Kartenspiel) war kein Original-Django-Film, und der Held wird wie sein Gegenspieler vom selben Schauspieler dargestellt; der dritte dreht sich um Djangos bösen Halbbruder. Alles wahrlich kein ungetrübter Filmgenuss, aber ein interessanter.

KÄMPFEN

Chok Dee - heißt "Viel Glück", und so sagen Thai-Boxer zueinander, bevor sie sich mit Händen und Füßen verprügeln. Chok Dee ist ein Spielfilm nach dem Leben Dida Difats, der zwischen 1992 und 98 elf Weltmeistertitel holte. Mühsam wieder auf Kampfgewicht runter gehungert, am Ende gar mit einem gebrochenen Fuß, spielt er nun sich selbst und seinen Weg vom Straßenschläger in Paris zum Helden im Stadion von Bangkok. Schön: wenn die Story zu kitschig wird (er muss einen Freund verprügeln, er kriegt das Mädchen), hält die Regie mit Lakonie dagegen.

KRIMI

NYPD Blue - 1994 ging die Ära staatstragender Krimi-Serien mit diesem zynischen, straßendreckigen Entwurf zu Ende. Erfinder Stephen Bochco und David Milch wurden mit Preisen überschüttet, Zweit-Held David Caruso blamierte sich mit Star-Allüren. Jetzt ist die erste Staffel zum Nachgucken da, mit mehreren Audiokommentaren und einem langen Making Of.

SEX

Inside Deep Throat - der solide Dokumentarfilm (co-produziert von HBO) erzählt, wie ein mit Mafiageldern finanzierter Schmuddelporno die Welt veränderte. Da der deutsche DVD-Verleih nur abgespeckte und bildreduzierte Muster an die Presse verschickt, wissen wir nichts über Extras, Bildqualität oder auch nur eine englische Tonspur. Die deutsche Fassung, die wir gesehen haben, ist etwas jedenfalls wirr abgemischt.

ALT WERDEN

Die Bestechlichen - über 20 Jahre hinweg schrieb und produzierte Claude Zizi seine Trilogie um den charakterschwachen Bullen Philippe Noiret und seinen Junior-Partner Thierry Lhermitte. Jetzt erscheinen alle 3 Teile sowohl einzeln als auch als Box.

JUNG BLEIBEN

Dawsons Creek 6- die letzte Staffel der intelligentesten Teenie-TV-Serie der Welt ist da. Erfinder Kevin Williamson, der nach dem Serien-Start Kino-Karriere machte (Scream), kommt für einen Audio-Kommentar udn ein "10-Jahre danach" zurück.

WILLE & WAHN

Die Spielwütigen - eigentlich wollte Andres Veiel nur einen Filmn übers Erwachsenwerden drehen. Seine 7jährige Langzeitbeobachtung von 4 Schauspielschülern wurde dann nebenbei ein beeindruckendes Feature über den Schauspiel-Beruf: nur wer vollkommen wahnsinnig ist, will das werden, und nur wer diesen Wahnsinn in Konzentration und Präzision einfassen kann, wird's dann auch. Veiels vier Protagonisten sind alle was geworden, und auf dem Weg dahin sehen wir sie träumen, weinen, verzweifeln, rebellieren. Und lieben sie alle. Die DVD (in schöner Klappbox mit ausführlichem Textheft) enthält zusätzliche Szenen, die den Film gut ergänzen und weiterführen, trotzdem zu Recht in der Kinofassung nicht zu sehen waren. Dazu gibt's zwei Audiokommentar-Spuren, einmal von Veiel und einmal, hübsch anekdotisch, von den vier Darstellern.

HORROR

Broadcast Killer - für selbstgemachten Horror-Trash gibt es inzwischen einen Markt. Und Ulrich Meczulat ist sein Boom-Mann. Nach dem Szene-Renner Der Teufel von Rudow zeigt er jetzt angebliches Rohmaterial einer nie gesendeten Gameshow, bei der ein Killer ein paar Jugendliche im Wald überfällt. Alles ist zu lang, alles ist Laien-Arbeit, aber doch über VHS-Niveau und sich seiner Klischees deutlich bewusst. Viele Extras, darunter frühere Kurzfilme des Regisseurs.

Angst - Anfang der 80er drehte Gerald Kargl in Österreich das definitive Serien-Killer-Psychrogramm. In verrückten Winkeln, oft mit am Körper der Hauptfigur festgeklebten Kamera, und immer mit dem erklärenden Voice-Over des Killers sehen wir seinen Tag: aus dem Gefängnis entlassen, in der Bratwurstbude angestarrt, in ein einsames Haus einsteigen, die Bewohner fangen, quälen, umbringen, vergewaltigen; mit einem Vorwort von Jörg Buttgereit und viel Extra-Material.

Dark Water - das Remake macht aus dem "einfachen" Hausgeister-Grusel ein "psychologisches" Drama. Jennifer Connelly wird von einem sich ausbreitenden Wasserfleck an der Schlafzimmerdecke verfolgt, aber auch von ihrer Mutter-Beziehung und von der Schreckensvorstellung, die in ihrer Tochter-Beziehung zu wiederholen. Der bisher nur mit Dokumentarfilmen aufgefallene Regisseur Walter Salles macht einen guten Job, die Extras erklären Drehort, Casting und Tonmischung.

WILDE HUMMEL

Dina - Meine Geschichte - aus dem pseudohistorischen Roman der Norwegerin Herbjörg Wassmo machte Ole "Nightwatch" Bornedal einen pseudohistorischen Kostümfilm: Dina (von nah am Taschentuch gebauten Leserinnen durch ihre Trilogie weltweit geschätzt) bringt als Mädchen aus Versehen ihre Mutter um und wird, fortan verstoßen und verachtet, eine wirklich starke Frau. Das sehen wir daran, dass sie vögelt, mit wem sie will und zurückschlägt, wenn man sie ohrfeigt. Ansonsten hatte Bornedal (der auch das Drehbuch schrieb) wenig Zeit für Psychologie, alles ging für Landschaft, Kamerafahrten und Nahaufnahmen drauf. Die sind alle schön und bewegend, aber nichts passt richtig zusammen, schon gar nicht das drollige Englisch, dass alle sprechen. Immerhin: die Hauptdarstellerin Maria Bonnevie ist ein Naturereignis, Gérard Dépardieu oder Christopher "Fitz" Eccleston schlagen sich wacker, und wenn jemand sehen will, wie Tarantino die Buddenbrooks am Fjord verfilmen würde: so ähnlich sähe das wohl aus.