Kurztipps November 2004
MELODRAM
21 Gramm - eigentlich ein bewegender Film über Schuld und Sühne und Vergebung (mit einer überragenden Naomi Watts und einem fürchterlichen Sean Penn). Aber Alejandro Inarritu bindet der klugen eliptischen Erzählweise eine erklärende Blei-Ente an die Füße, mit der alles im katholischen Pathos versinkt. In "Magnolia" hätte er sehen können, wie man aus solch einem Film wieder heil herauskommt.
Monster - trotz Latex und Übergewicht ist Charlize Theron als verzweifelt verliebte und männermordende Hure bisweilen arg überfordert. Dafür beeindruckt Christina Ricci als verlogen-süßes Partygirl. Dem Film ist sein Engagement in jeder Sekunde anzusehen. Leider kann er sich nicht entscheiden, ob der "Thelma & Louise" oder "Dirty Harry kommt zurück" sein will.
SPASS
Spy Kids 3 - Mission 3D - ein grosser Spass mit einem beiligenden Familienpack Rot/Grün-Brillen. So knallt die Kinder-Action schön raumgreifend durch die Wohnung. Andererseits wackelt der Effektaufsatz gern auf der Nase, und dann kommen ein paar Fragen nach Dramaturgie und Nährwert auf. Aber nicht ablenken lassen, viermal Stallone als Schuft und einmal (per morphing) als George Clooney genießen. Und ein paar launige Extras und den ganzen Film noch einmal quietschbunt in 2D auf der Bonus-DVD.
LIEBE
L' Amour L' Argent L' Amour - Mädchen trifft Männer und wird mit einem Jungen beinahe glücklich. Die hinreissende Simone Timoteo streunt als Hure durch die Nacht, der süsse Florian Stetter hat sich den Arm gebrochen und entführt sie von Duisburg ans Meer, und vor lauter Poesie mit dem Zaunpfahl versteht man kaum ein Wort der dogma-artig abgedrehten Geschichte. Ausserdem ist sie 128 Minuten lang, zu lang für die wenigen wirklich zauberhaften Momente, die Regisseur Philip Gröning eher zustossen als gelingen.
SÜSS
50 First Dates - der Film ist eine Katastrophe: vergurktes Drehbuch, alberne Regie, noch albernere Sidekicks (Rob Schneider!) und mit Adam Sandler einen Komiker mit Anti-Charisma. Die nette Idee, dass Sandler seine Große Liebe täglich neu erobern muß, weil die jede Nacht ihr Gedächtnis verliert, erträgt man nur wegen der bezaubernden Dreh Barrymore, der man jede Geste, jeden Blick glaubt und einfach dahinschmelzen möchte. Die DVD enthält einige Extras: Regiekommentar, entfallene Szenen, Making of.
SCHRECKEN
Secret Window - Johnny Depp als depressiver Schriftsteller hat ein Problem: eines Tages steht ein Landei (John Turturro) aus Mississippi vor seiner Tür und behauptet, Depp habe eine Story bei ihm geklaut, was fortan einige Leben fordert. Aus der Stephen King-Novelle hat David Koepp - Drehbuch & Regie - ein ahnsehnliches Filmchen gemacht, das allerdings etwas unter der Dominanz von Depp leidet. Auf der DVD sind ein Regiekommentar und ein ausführliches Making of zu finden.
The Day after Tomorrow - die Absicht der politischen Aufklärung erfriert schnell hinter den digitalen Effekten und der ewig-öden Katastrophenfilm-Dramaturgie. Wenn Emmerich eines Tages aufhört, sich die Drehbücher selbst zu schreiben, kriegt er vielleicht doch noch mal einen guten Film zustande.
TANZEN
Street Style - Make your own moves - ist, wie man unschwer erkennt, der irreleitende deutsche Titel von You Got Served - Take it to the Streets, was wiederum der Special-Part von You Got Served - The Movie ist, das auf deutsch eben Street Style hiess. Got it? Wir kriegen 2 Choreographen und ein Dutzend Tänzer, eher die Bösen und die Neben-Zappler im Film, die uns etwa ein Dutzend Pops, Locks, Ticks, Waves, Freezes und Flopdidoodles erklären, mit denen man als Party-Hiphopper echt cool aussieht. Wenn man ganz viel übt. Denn es geht nicht um's allmähliche Selberverfertigen von Schrittfolgen, sondern darum, die Moves aus dem Kino nachzutanzen. Diese DVD muss jede Straßentanz-Schule haben.
KULTUR
Projekt Genesis - ein Naturfilm über einen komplett künstlich angelegten Nationalpark in Kenia. Vom Elefant bis zum Springbock wurde die gesamte Bevölkerung dahin importiert, wo in den 60ern noch Löwin Elsa mit Buch und Filmbegleitung ausgewildert wurde. Das natürliche Paradies wurde in den 80ern abgeholzt und leer gejagt, jetzt baut Kenia mit Europa-Geldern da die heile Welt neu auf. Im Begleitmaterial gibt's ein Making Of und Afro-Pop-Clips.
Grenzen der Wahrnehmung - ein ORF-TV-Feature, das die ersten Live-Bilder von Atomen zeigt - und am anderen Ende der Größenskala den Rand des Universums. Sehr schön, wenn auch für BBC-Doku-Liebhaber etwas zu feuilletonistisch. Für die exaktere Bildung liegen noch 13 Kurzfilme zu Wahrnehmung und Verwandtem bei (Mikroskop, Chaos-Theorie etc.). In der ORF-Universum-Reihe sind allerlei ähnliche Features erschienen (über die Brüder Wright oder Gorillas zum Beispiel).
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