ANKLÄGER Gummiwände Carla Del Ponte erzählt aus ihrer Zeit als Chefanklägerin für die UN Die Muro di Gomma, die "Gummiwand der Verweigerung" war für Carla Del Ponte im Laufe ihrer achtjährigen Karriere als Chefanklägerin in Den Haag ständig präsent. Del Ponte schreibt: "Wenn man sich mit einer unwillkommenen Bitte oder Forderung an einflussreiche Personen wendet, ist es oft so, als kämen einem die eigenen Worte entgegen. Man glaubt zu hören, was man hören will. (à) Die einzige Möglichkeit, die muro di gomma zu durchbrechen und dem Recht zur Geltung zu verhelfen, besteht für mich darin, konsequent und beharrlich meinen Willen durchzusetzen." In ihrer Autobiographie Im Namen der Anklage verarbeitet Del Ponte ihre Erfahrungen als eine der unbequemsten und wohl auch gefürchtetesten Frauen unserer Zeit. Vor allem aber rechnet sie ab mit den Menschen, die die Arbeit des UN-Tribunals nachhaltig behindert oder gestört haben. Ihr sei es ein Anliegen aufzuklären und zumindest von den Verbrechen zu erzählen, die es nicht bis zur Anklage geschafft haben und in den Tiefen der internationalen Bürokratie versinken. Del Ponte erzählt zunächst von ihrer Zeit als Staatsanwältin und Schweizer Bundesanwältin. Die "muro di gomma" tauchte 1981 erstmalig in Gesprächen mit Schweizer Banken auf, die sich aus eigener Profitgier und Angst vor der Mafia beharrlich dagegen sträubten, mit Del Ponte zu kooperieren, um die organisierte Geldwäsche über Schweizer Konten zu stoppen. Diese Aufgabe war die erste auf durchaus gefährlichem Terrain, die schon bald die ersten Mordopfer im Umfeld Del Pontes nach sich ziehen sollte. 1999 nahm Del Ponte das Angebot der Chefanklägerin des Jugoslawien- und des Ruanda-Tribunals in Den Haag an. Unverhüllt schildert sie im folgenden, was ihre Arbeit dort auszeichnete, woran sie scheiterte und welche Beweggründe Menschen wie George Tenet, der Direktor der CIA, Papst Benedikt, Jacques Chirac oder Vojislav Kostunica wohl gehabt haben mochten, die Verhaftungen von Kriegsverbrechern wie Milosevic, Mladic und Seromba zu erschweren. Del Ponte nimmt in ihrer Autobiographie kein Blatt vor den Mund. Reichlich Wirbel hat es darum früher bereits gegeben. Besonders die Behauptung, Kosovo-Albaner hätten im Jahre 1999 Serben nach Albanien verschleppt, um ihnen Organe zu entnehmen und sie dann zu töten, stößt vielen Politikern bei nicht ausreichender Beweislage bitter auf. Del Ponte, die als Kind schon Schlangen gejagt hat, lässt an ihrem Image keinen Zweifel. Kaltschnäuzigkeit, Verbissenheit und ein hoher idealistischer Anspruch zeichnen sie aus. Vielleicht lässt ihr Buch gerade deswegen viel von dem Menschen Carla vermissen. Berit Anike Kampf
Carla Del Ponte mit Chuck Sudetic: Im Namen der Anklage. Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Thomas Wollermann, S. Fischer, Frankfurt a.M. 2009, 528 S., geb., 22,95
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