e.o. plauen

Mann ohne Zukunft

Vor 70 Jahren nahm sich der Zeichner Erich Ohser im Gestapo-Gefängnis das Leben.

Erich Ohser alias e.o. plauen. Ein deutsches Künstlerschicksal" betitelt Elke Schulze ihre Biografie über den Mann aus Sachsen, der in Leipzig bekannt und in Berlin berühmt wurde. Als Auftragszeichner und Illustrator verdiente Ohser sein erstes Geld mit Zeitungsstrips und Illustrationen der Gedichte seines Freundes Erich Kästner. Als der 1927 ein zweideutiges Gedicht verfasste ("Abendlied eines Kammervirtuosen") und Ohser dazu eine eindeutige Illustration lieferte, wurden beide gefeuert und gingen nach Berlin. Ohsers politische Karikaturen, unter anderem für den Vorwärts, machten ihn bei den Nazis unbeliebt. Trotzdem gelang es ihm unter dem Pseudonym "e.o. plauen" (= Erich Ohser, Plauen) ab 1934 eine Sondergenehmigung zu erhalten. Unter dem neuen Namen wurde sein Zeitungsstrip "Vater und Sohn" berühmt und beliebt. Die ganz und gar undeutsche Beziehung zwischen einem strubbeligen Sohn und seinem rundbäuchigen Vater, der von autoritärer Erziehung wenig zu halten scheint, stieß zwar manchen Nazis immer wieder übel auf, aber die Beliebtheit der Serie sprach für sich und schützte Ohser. Zudem musste er regelmäßig Karikaturen für das Nazi-Blatt "Das Reich" abliefern, was ihm offenkundig schwer gegen den Strich ging. Auf dem Höhepunkt des Erfolges stellte Ohser die Serie ein und ließ "Vater und Sohn" buchstäblich zum Himmel aufsteigen.

1944, als Berlin so aussah wie heute Aleppo, wurden Ohser und ein Freund denunziert - wegen Hitlerwitzen und despektierlichen Bemerkungen über die Nazis. Das Todesurteil war bei Volksgerichtshofpräsident Freisler (dessen Witwe von der Bundesrepublik jahrzehntelang Pension beziehen würde) schon bestellt, Ohser nahm sich im Gefängnis das Leben, sein Freund Erich Knauf wird verurteilt und hingerichtet.

Das Nachkriegsdeutschland hat Ohser nur als putzigen Schöpfer der putzigen "Vater und Sohn"-Strips wiederentdeckt. 1949 bereits druckste Kurt Kusenberg in einer Neuauflage des Südverlags von Vater und Sohn im Vorwort herum: "(Ohser) schied in den Jahren des großen Krieges und der Schrecken auf tragische Weise aus dem Leben." Kusenberg war der Redakteur, der Ohser 1934 half, die Figuren für den Zeitungsstrip zu entwickeln

Wie viel sich verändert hat, mag man daran sehen, wie ein Nachwort zur Neuausgabe 2014 klingt: "Erich Ohser fand im letzten Jahr des Krieges, als sich der Zusammenbruch des Dritten Reiches bereits abzeichnete, ein tragisches Ende." Unter diesem Text steht kein Autor, und das angehängte "Nachwort zur neuen Ausgabe des ersten Bandes im Südverlag" ist dafür fast wörtlich bei Kusenberg geklaut und keineswegs neu, und ein Name steht schon gar nicht drunter. Der erste Teil des Nachwortes wird dafür in den zwei Folgebänden wiederholt

Dafür hat der Verlag, der sich "Vater und Sohn" als Markenzeichen eintragen ließ, den Strip heftig gemolken. In drei Bänden sind die Strips in Schwarzweiß großformatig wieder aufgelegt worden.

Wer nur noch farbig gucken kann, der kann sich an Vater und Sohn - Zwei, die sich verstehen. Die 33 lustigsten Geschichten in der kolorierten Fassung erfreuen (immerhin mit einem intelligenten, wenn auch gekürzten Nachwort von Hans Joachim Neyer vom Wilhelm Busch Museum Hannover) oder auch an Vater und Sohn - Zwei, die sich liebhaben. Die 33 schönsten Geschichten (mit exakt dem gleichen Nachwort).

Da es nunmal mehr "Vater und Sohn"-Geschichten nicht gibt, sind der Verlag und seine Abteilung für wiederverwertbare Nachworte offensichtlich damit beschäftigt, soviel wie möglich herauszuholen: Es gibt "Vater und Sohn Postkartensets" und einen "Vater und Sohn Einsteckkalender". Was fehlt, sind Kaffeetassen, Luftballons, T-Shirts und eine App. Was es nicht gibt, und da sind wir wieder beim "Künstlerschicksal" der Erika Schulze, sind die gesammelten Karikaturen und Illustrationen Ohsers, ein Werk über sein anderes Werk, eine Zusammenstellung seiner Kästner-Illustrationen, der "Vorwärts"-Karikaturen, seiner Briefe. Was es gab, war eine Ausstellung vor 14 Jahren. Deren Katalog wird heute als bibliophiles Exemplar gehandelt.

Die Biografie der Frau Schulze ist eine nette Fleißarbeit, die einen Einblick verschafft in die Zeit und das Werk des Mannes. Die wenigen bekannten Aquarelle, Zeichnungen und Skizzen zeigen dabei, dass es wohl wirklich einen Künstler zu entdecken gäbe. Aber dann müsste man in Ecken blicken, in die bis heute wenig Licht fällt. Und nicht, dass der Südverlag auch nur eine Taschenlampe bereitstellen würde.

Thomas Friedrich

Elke Schulze: Erich Ohser alias e.o. plauen. Ein deutsches Künstlerschicksal. 144 S., 24,- (Erich Ohser - e.o. plauen: Vater und Sohn. Zwei, die sich liebhaben. 80 S., 18,- / Erich Ohser - e.o. plauen: Vater und Sohn. Zwei, die sich verstehen. 80 S., 18,- / Vater und Sohn Band 1: 50 Streiche und Abenteuer, gezeichnet von Erich Ohser (e.o.plauen). 112 S., 12,- / Vater und Sohn Band 2 : Noch 50 Streiche und Abenteuer, gezeichnet von Erich Ohser (e.o.plauen). 112 S., 12,- / Vater und Sohn Band 3 : Die letzten 50 Streiche und Abenteuer, gezeichnet von Erich Ohser (e.o.plauen). 112 S., 12,- Alle Südverlag, Konstanz 2014