NAZIS
ADOLF, DIE PFEIFE
Der »Führer« war ein ziemlicher Nichtsnutz, hatte Angst vor Frauen und war insgesamt geistesgestört - behauptet das Buch »Hitler - Karriere eines Wahns«
Der Mann, der Deutschland 12 Jahre lang als "Größter Feldherr aller Zeiten" vorstand, war eigentlich für alles zu blöd. Die Realschule war ihm, der eigentlich zum Gymnasium wollte, zu hoch - er schmiß die letzte Klasse vor der Mittleren Reife, und seine Lehrer rieten ihm dringend ab, das Jahr zu wiederholen. Die Kunstakademie in Wien lehnte ihn nicht nur ab, sondern schrieb ihm gleich auch noch hinterher, seine Bilder stellten seine Untauglichkeit als Maler "zweifelsfrei" unter Beweis. Zu einer zweiten Prüfung, um die er sich bewarb, wurde er gar nicht erst zugelassen.
In Wien schlug er sich schließlich als Postkarten(ab)maler durch, und als der I. Weltkrieg begann, schickte ihn die Musterungskommission nach Hause: "Zu schwach. Waffenuntauglich." Adolf Hitler war als Niete mit seltener Talentlosigkeit geschlagen.
Nur quasseln konnte er, stundenlang, pausenlos. Seine Kumpels im Obdachlosenasyl erinnerten sich später gut an den seltsamen Kauz aus Linz, der bei politischen Debatten völlig außer sich geriet und von steinerner Humorlosigkeit durchdrungen war.
Wolf und Steffi
Auch mit den Frauen kam Adolf, der sich gerne "Wolf" nennen ließ, nicht klar. Vier Jahre schmachtete er in Linz seine Stefanie an (heimlich beobachtete er sie immer wieder bei ihren Spaziergängen), um ihr dann einen Brief zu schreiben: Er müsse jetzt nach Wien zum Studieren, sie solle aber nicht ungeduldig sein, danach werde er sie heiraten. Besagte Stefanie hatte keine Ahnung, wer ihr diesen Brief geschrieben haben könnte; sie kannte Adolf gar nicht.
Später fiel vor allem die gewaltige Selbstmordquote unter jenen Frauen auf, die sich Hitler näherten. Eigentlich hat keine einen näheren Kontakt zum "Führer" heil überstanden.
Hitler, der 1913 nach München ging, verdiente seine Brötchen als Auftragsmaler. Seine erbärmliche Existenz wurde errettet - durch den I. Weltkrieg. Der Gammler ohne Perspektive und nennenswertes Talent durfte als begeisterter Freiwilliger 1914 bei den Bayern Soldat werden (die Österreicher hatten ihn ja als "waffenunfähig" ausgemustert).
Sechs Jahre lang, also noch über den Krieg hinaus, war für Hitler "sein" Regiment seine Heimat, er war ein ordentlicher und mutiger Meldegänger (das sind die armen Schweine, die Befehle im Gefecht an die Front bringen müssen), aber auch hier kam der spätere "Führer" mit der Wahrheit nicht zurecht: Er sei "Infanterist" gewesen, betonte er immer wieder - wohl weil der Gedanke, der zukünftige Führer robbe mit Befehlen Anderer durch den Matsch, nicht dem Bild entsprach, dass andere sich von Hitler machen sollten.
Auch dass Hitler in den Nachkriegswirren 1919 kurzzeitig für die Räte-Regierung arbeitete und es sogar bis zum Räte-Vertrauensmann brachte (wie vor allem Anton Joachimsthaler nachgewiesen hat), kommt in "Mein Kampf" und der "Führer-Legende" nicht vor. Hitler hat damals nachweislich damit geprahlt, einen guten Draht zur SPD zu haben. Es kam ja dann anders.
Plemplem und schuldig
Die Idee, vor allem den frühen wirren Lebensweg Hitlers als Ausdruck eines grundsätzlichen Irrsinns zu deuten, ist nicht neu. Derlei psychohistorische Ansätze dienen vor allem dazu, Hitler für irgendwie nicht verantwortlich, geradezu "schuldunfähig" zu erklären. Von solch entlastendem Psychogeplauder distanzieren sich Paul und Peter Matussek in ihrem Buch Hitler - Karriere eines Wahns sehr deutlich. Die Autoren schreiben in ihrem Vorwort: "Das mißverständliche Wort 'Vergangenheitsbewältigung' erfüllt sich nicht durch bilanzierende Schlußfolgerungen, sondern nur im unaufhörlichen Bemühen, unsere Erinnerung an das Geschehene deutend zu vertiefen und so für die Gefahren einer Wiederkehr vergleichbarer Prozesse wachsam zu bleiben."
Hitler als Schizophrenen zu erkennen, so die Matusseks, mindere nicht seine Schuld, da die Einsicht in sein Handeln durchweg gegeben gewesen sei. Und "sein Volk" spreche das schon gar nicht frei: nichts ist peinlicher für die "Volksgemeinschaftö, als einem Geistesgestörten 12 Jahre lang willig und blind gefolgt zu sein.
Was ist normal?
Vor allem Paul Matussek hat eine recht eigene Begrifflichkeit zum Thema Schizophrenie entwickelt und benutzt ein sehr anschauliches Modell, in dem zwischen dem inneren und äußeren Selbst jeder Person unterschieden wird: Die Art und Weise, wie wir öffentlich gesehen werden wollen und die Art, wie wir uns selber sehen. Das stabilisierende Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen wird als "normal" definiert (ein in dieser Begrifflichkeit recht floureszierender Zustand), die Überwertung des inneren Selbst führt zu Depression, die des äußeren zu Schizophrenie. Bei Hitler diagnostizieren die Matusseks letzteres. Wie sie in aller Vorsicht und mit allen Vorbehalten Hitlers frühe Jahre unter diesem Aspekt betrachten, Hitler quasi als taube Nuß definieren, als substanzlose Persönlichkeit, der Außenwirkung alles war, der jede persönliche Annäherung peinlich und ekelhaft war - das fügt sich beinahe sensationell glatt in die bekannten Fakten aus des Führers Frühzeit.
Der dritte an diesem Buch beteiligte Autor, Jan Marbach, untersucht die kulturell-politischen Gegebenheiten, die es ermöglichten, dass Hitlers Größenwahn in Deutschland so ein gewaltiges Echo hervorrief: Der Schizophrene wird durch die positive Rückmeldung des Publikums in seiner Wahnwelt bestärkt.
Hitler - Karriere eines Wahns enthält ein Erklärungsmodell. Ob es richtig ist, wissen nicht einmal die Matusseks. Aber es hilft weiter bei jener Fragestellung, die zuletzt in Rosenbaums Die Hitler-Debatte eine Rolle spielte: Wer ist in der Geschichte verantwortlich, der einzelne oder sind es die Umstände? Aus dieser unbefriedigenden Frage-Falle weist dieses Buch einen guten Ausweg, indem es wechselseitige Abhängigkeiten aufzeigt.
Thomas Friedrich
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