SCIENCE OR FICTION
Woran erinnert sich Wasser? Die Forschungen von Jacques Benveniste zum »Wassergedächtnis« Die Sache ist kompliziert und kann hier nicht vertieft werden: es geht um "Wassergedächtnis", die Eigenschaft von Wasser, sich bestimmter Moleküle zu "erinnern", mit denen es in Berührung kam. Für die Verdünnungsmixturen homöopathischer Medikamente ist diese (behauptete) Eigenschaft wesentlich. Der französische Forscher Jacques Benveniste hat in den 80ern Laborexperimente durchgeführt, die diese Eigenschaft beweisen. Seine Kollegen konnten diese Experimente nicht wiederholen und nannten Benveniste einen Betrüger; Benveniste sagt, seine Kollegen hätten bei den Wiederholungsversuchen geschlampt. Inzwischen gilt er in der wissenschaftlichen Welt als eine Art Mischung aus Irrer und Betrüger. Benvenistes Mitarbeiter Michel Schiff hat unter dem Titel Das Gedächtnis des Wassers den Fall aufgeschrieben und erläutert. Es geht im dabei weniger darum, ob Benveniste Recht hat oder nicht (er glaubt ja, kann aber auch nicht erklären, wieso), sondern wie der Wissenschaftsbetrieb mit abweichenden Meinungen und Daten umgeht. Das hat einen theoretischen Teil (wieviel ergänzende Modifizierungen verträgt einen Theorie, bevor es besser ist, sich eine neue zu suchen?) und einen praktischen, in dem es um Macht, Starrsinn, Gruppenverhalten und Forschungsgelder geht. Abgesehen davon, daß Benvenistes Arbeiten recht präzise dokumentiert werden (und eine gewisse Ratlosigkeit hinterlassen; sollte er wirklich kein Scharlatan sein, stimmt einiges in den biochemischen und physikalischen Weltbildern ganz und gar nicht), führt das Buch den sehr notwendigen Streit darüber, ob denn immer erst eine Forschergeneration aussterben muß, bevor eine neue Erkenntnis sich durchsetzen kann. Und warum eine Berufsgruppe derart fest am Glauben der eigenen Unfehlbarkeit hängt - wo sie sich doch einst aus dem Kampf gegen Dogmen entwickelt hat. Andererseits ist es so, daß niemand für das, was Benveniste beobachtet haben will, einen Theorie hat; nicht mal er selbst, was am meisten für ihn spricht. Ergänzend dazu kann man die Anekdötchen des Journalisten Luc Bürgin lesen: in Irrtümer der Wissenschaft geht es ums Gegenteil, nämlich um berühmte Entdeckungen und Erfindungen, die zum Teil Jahrzehnte brauchten, bis sie sich gegen die Lehrmeinung durchsetzen konnten. Allerdings ist Bürgins Buch von einer erschreckenden Oberflächlichkeit (daß Mendel seine Ergebnisse zum Teil selbst "gemendelt" hat, kommt bei ihm nicht vor), die er durch eine kräftige Ausrucksweise ("Skandal!") zu überdecken sucht. Erich Sauer
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Michel Schiff: Das Gedächtnis des Wassers. Aus dem Englischen von Michael Zillgitt. Zweitausendeins 1997, 260 S.,25,- DM. Nur bei Zweitausendeins. Luc Bürgin: Irrtümer der Wissenschaft. Verkannte Genies, Erfinderpech und kapitale Fehlurteile Herbig 1997, 254 S., 39,90 DM |